Neue Fragen in der Digitalisierung

Wo verläuft künftig die Grenze zwischen Mensch und Maschine? Wie reagieren wir darauf, dass Algorithmen Meinungsbildung beeinflussen? Wie sieht ein demokratischer Umgang mit umfassender künstlicher Intelligenz aus? Diese und viele weitere Fragen wollen wir in unserem Programmprozess mit der gesamten Gesellschaft diskutieren. Hier gibt es einen Überblick zum Themenbereich Digitalisierung - mit ersten Leitfragen und Workshopergebnissen vom Startkonvent zum Grundsatzprogramm.

Die digitale Revolution ändert unser Leben rasant und tiefgreifend, und dabei stehen wir wohl erst am Anfang. Politik hinkt hinterher. Die Frage ist ja nicht mehr, ob Digitalisierung stattfinden soll, sondern wie sie gesellschaftlich gelenkt, genutzt, befördert oder begrenzt, also gestaltet werden kann. Wie gewinnen wir politische und demokratische Souveränität über die digitalen Prozesse zurück?

Als Partei, die von Anfang an für Selbstbestimmung, Datenschutz und ein Recht auf Privatsphäre gegenüber dem Staat gekämpft hat und zugleich für Fortschritt und Innovation steht, suchen wir Wege, die Chancen der Digitalisierung, die sich sowohl ökologisch aber auch international bieten, zu nutzen. Zugleich geht es um die Möglichkeit, die Macht der Unternehmen durch eine gesetzliche Grenze für Datenbesitz und durch ein Verknüpfungsverbot persönlicher Daten zu kontrollieren. Aber die Fragen gehen weit über den Datenschutz hinaus. Künstliche Intelligenz lernt schneller als Menschen. Roboter komponieren Sinfonien. Häuser sprechen mit uns. Kann es sein, dass die Maschinen von Objekten unseres Lebens zu den eigentlichen Subjekten werden, die definieren, was wir Menschen können, müssen oder dürfen?

Roboter sind in der Lage, Entscheidungen schneller und mit geringerer Fehlerquote zu treffen als der Mensch. Wir müssen also entscheiden, welche Entscheidungen wir ihnen überlassen wollen und welche nicht. Was bedeutet das für unser Zusammenleben und die Selbstbestimmung des Menschen, wenn Verantwortung für Entscheidungen weg vom mündigen Menschen hin zu programmierten Maschinen verlagert werden?

Wir wollen über die Erweiterung des Kartellrechts reden, über schärfere Gesetze und neue Besteuerungsformen. Ja und auch darüber, ob der effizientere Pflegeroboter mit seiner kalten Hand wirklich unserer Oma über die Wange streichen dürfen soll. Dabei dürfen wir nicht darüber hinweg sehen, dass im Moment vor allem Pflegekräfte, zumeist Frauen aus Osteuropa, in leibeigen-ähnlichen Verhältnissen für miese Löhne ausgebeutet werden. Deswegen geht es uns um die Aufwertung und bessere Bezahlung des Pflegeberufs als Beispiel für neue Mensch-zu-Mensch-Beziehungen, die bereits eine Antwort und eine Chance für die Arbeitswelt der Zukunft sein kann.

Leitfragen und Workshopergebnisse

Um den Einstieg in die Debatten zu erleichtern, hat der Bundesvorstand die Vielzahl der Themen in sechs Bereiche geordnet und jeweils Leitfragen erarbeitet. Denn wir stehen erst am Anfang, und am Anfang stehen Fragen, keine Antworten. Auf dem Startkonvent am 13. und 14. April 2018 haben wir in Workshops zu den einzelnen Themen offen debattiert. Hier gibt es die Leitfragen und ersten Workshopergebnisse zum Thema Digitalisierung.

Leitfragen: Digitalisierung

Wo verläuft künftig die Grenze zwischen Mensch und Maschine?


Was bedeutet es für die Demokratie, wenn die Öffentlichkeit immer stärker in Teilöffentlichkeiten zerfällt, wenn verbindende öffentliche Räume an Bedeutung verlieren? Wie reagieren wir darauf, dass Algorithmen Meinungsbildung beeinflussen? Wie stoppen wir Hetze, Desinformation und gezielte Manipulation, vor allem in sozialen Netzwerken, um unsere Demokratie zu schützen?

Steht Datenautonomie im Widerspruch mit wirtschaftlichem Fortschritt oder Umweltschutz?

Wie gewinnen wir politische und demokratische Souveränität über die digitalen technischen Prozesse zurück? In welchen Bereichen wollen wir analoge Zugänge, Prozesse und Fähigkeiten erhalten?

Wie sieht ein demokratischer Umgang mit umfassender künstlicher Intelligenz aus? Wer trägt die gesellschaftliche Verantwortung? Wer füttert sie? Wer kontrolliert sie? Und wie schützen wir sie (IT-Sicherheit)?

Wie organisieren wir Rechtsstaatlichkeit und schützen die Bürgerrechte sowie die Selbstbestimmung der Menschen unter der Bedingung grenzenloser Überwachungsmöglichkeiten?

Wie sichern wir die Privatsphäre und damit die Freiheit der Menschen trotz allumfassender Datensammlung?

Workshop: Digitale Zukunft grün gestalten

Workshopleitung: Madeleine Henfling und Malte Spitz

Gast: Prof. Jeanette Hofmann

1. Welches sind im Themenbereich die am dringlichsten diskutierten Fragen und welche Antwortmöglichkeiten oder Konfliktlinien haben sich in der Debatte herausgebildet?

Zu Beginn wurde über die Möglichkeiten einer effektiven Regulierung von Digitalkonzernen diskutiert, die nach der Meinung vieler im Workshop völlig neu erdacht werden müsse. Gerade der Umgang mit der Akkumulation und Nutzung von Daten durch große Konzerne rückte in den Fokus der Diskussion zur Regulierung, aber auch die Frage, wie man Daten für alle verfügbar und nutzbar machen könne. Ein Streitpunkt stellte der Umgang mit Digitalisierung in Bildung und Schule dar. Wie früh und in welchem Umfang sollten gerade Kinder an das Thema herangeführt werden?

Es wurde aber auch themenübergreifend über Digitalisierung debattiert, zum Beispiel über die Chance, Umweltschutz und Digitalisierung miteinander zu verbinden. Auch die Frage, wie die Mobilität der Zukunft aussehen könnte, wurde debattiert, wobei Digitalisierung beispielsweise dabei helfen könne, die Menge des Individualverkehrs in Großstädten zu verringern.

2. Welche Fragen und welche Lösungsansätze sollten die GRÜNEN im Grundsatzdebattenprozess weiterverfolgen?

Die Teilnehmenden wünschten sich, dass neben technisch-ethischen Fragen, zum Beispiel Chancen und Risiken im Umgang mit Künstlicher Intelligenz und die Frage nach möglichen Einsatzbereichen, auch die sozialen Auswirkungen der Digitalisierung im weiteren Verlauf Teil der Diskussion sein müssten, zum Beispiel die Forderung nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen, aber auch die Möglichkeit, Arbeit völlig neu gestalten zu können mit dem Menschen im Zentrum der Betrachtung. Gleichzeitig solle man mit Weitsicht nach weiteren Fragen der Zukunft im Rahmen der Digitalisierung Ausschau halten und diese im weiteren Prozess beantworten.