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Situation in Griechenland und in der Türkei

Die Situation auf den griechischen Inseln ist dramatisch, vor allem auf Lesbos. Jetzt braucht es eine abgestimmte europäische Reaktion, die Geflüchtete in Sicherheit bringt und für Ordnung vor Ort sorgt.

Ein Kind starb, als Geflüchtete versuchten, an Land zu gehen. Eine Erstaufnahmeeinrichtung ist abgebrannt. Geflüchtete werden angegriffen und von einem rechtsextremen Mob am Ankommen gehindert, ebenso werden Journalistinnen und Journalisten verprügelt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen und Menschen, die auf der Insel leben und sich für Geflüchtete einsetzen. Sie alle sind ihres Lebens dort nicht mehr sicher. Gleichzeitig gibt es Berichte, dass die griechische Küstenwache Boote mit Menschen abdrängt und sogar mit Warnschüssen gegen sie vorgeht.

Die Europäische Union muss Griechenland unterstützen

Die griechische Regierung hat den Artikel 78 des EU-Vertrags aktiviert, der besagt, dass die Europäer in der Pflicht sind, zu unterstützen, wenn es zu Notsituationen an europäischen Außengrenzen kommt. Die Europäische Union ist in der Pflicht, Griechenland bei der Bewältigung der Lage mit allen Mitteln zu unterstützen – finanziell, personell, mit Hilfsgütern und Material. Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex muss nun gemeinsam mit der Europäischen Asylbehörde Unterstützung auf den griechischen Inseln leisten, für Humanität und Ordnung vor Ort sorgen. Das ist angesichts der katastrophalen Lage allein in den Lagern auf den griechischen Inseln eine immense Aufgabe, die längst hätte geleistet werden müssen. Es geht hier nicht um ein Problem Griechenlands, sondern es geht an den Außengrenzen um die ganze EU. Wenn wir Griechenland jetzt allein lassen, produzieren wir weiteres unmenschliches Leid, Chaos, Unsicherheit und Instabilität. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass es Sicherheit auf den Inseln für alle dort lebenden oder ankommenden Menschen gibt, und die Geflüchteten müssen von dort evakuiert und in Sicherheit gebracht werden.

Die gemeinsame Verpflichtung einer europäischen Außengrenze ist, dass sie nicht unkontrolliert geöffnet wird, also jetzt auch nicht in Griechenland. Aber die vertragliche Verpflichtung einer gemeinsamen europäischen Außengrenze bedeutet auch, dass zu einer Grenze legale Grenzübergänge gehören, wo Menschen kontrolliert Ein- und Ausgang haben können. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gerade nochmal so entschieden. Das ist auch die Grundvoraussetzung für geordnete und humanitäre Regelungen an unserer Außengrenze. Wir brauchen eine Kontrolle und eine Registrierung.

Denn Abschottung darf nicht die europäische Antwort auf humanitäre Notlagen sein. Der Zugang zu einem ordentlichen Verfahren, in dem das individuelle Recht auf Asyl in Europa geprüft wird, muss gewährleistet werden. Alles andere ist ein Verstoß gegen das internationale Flüchtlingsrecht.

Es braucht humane Erstaufnahmeeinrichtungen an den EU-Außengrenzen

Das heißt dann für die Landgrenze zwischen der Türkei und Griechenland, dass man in einem ersten Schritt unverzüglich aufhören muss, Menschen, Geflüchtete, Zivilisten mit Tränengas oder womöglich sogar Gummigeschossen zu beschießen. Zum zweiten braucht es schleunigst eine Versorgung für die circa 15.000 Menschen in diesem Niemandsland zwischen der Türkei und der Europäischen Union.

Konkret gilt es, unter Hochdruck Erstaufnahmeeinrichtungen an den EU-Außengrenzen aufzubauen. Dort müssen Flüchtlinge, die über die Grenze gelangen, schnell registriert, einer Sicherheitsprüfung und einem Datenabgleich unterzogen werden; selbstverständlich müssen wir wissen, wer zu uns kommt. Es braucht eine humane Erstunterbringung mit medizinischer Versorgung.

Dann sollten Kontingente von Flüchtlingen – von den griechischen Inseln wie aus Griechenland insgesamt – so schnell es geht in der EU verteilt werden, um dort die Asylverfahren durchzuführen. Das Europäische Parlament hat dazu Vorschläge gemacht. Wenn nicht alle mitmachen, müssen einige vorangehen und dafür finanzielle Hilfe erhalten. In Deutschland sollten wir in der Lage sein, die vorhandenen Kapazitäten und Strukturen auch zu nutzen, wenn der Bedarf entsteht. Baden-Württemberg und Berlin machen es gerade vor.

EU-Türkei-Abkommen: Menschen sind keine Erpressungsmasse

Zeitgleich muss es jetzt zu einem Gespräch mit Präsident Erdoğan kommen, möglichst europäisch abgestimmt, namentlich auch von Präsident Macron und von Bundeskanzlerin Merkel, um deutlich zu machen: Menschen sind keine Erpressungsmasse.

Präsident Erdoğan muss aufhören, Menschen, die alles verloren haben, mit falschen Versprechungen an die griechische Grenze zu locken. Und die EU muss deutlich machen, dass dann die Hilfsgelder auch wirklich fließen werden, was in den letzten Monaten nicht der Fall gewesen ist. Außerdem braucht es die Zusage der EU, dass die Kontingente zur Entlastung der Türkei auch wirklich eingehalten werden, welche die EU ja bereits vor Jahren zugesagt hatte. Der Türkei-Deal ist schließlich auch deswegen gescheitert, weil diese Kontingente zum Beispiel aus Lesbos von Europa nicht aufgenommen wurden.

Idlib: Europa darf Bruch des Völkerrechts durch Russland und Syrien nicht hinnehmen

Doch wichtig ist auch: Wir dürfen die Hauptursache für diese dramatische Situation auf den griechischen Inseln, an der griechisch-türkischen Grenze nicht aus den Augen verlieren: der Krieg in Syrien und jetzt vor allem die Situation in der Region rund um Idlib. Bombardierungen von Zivilisten, von fast einer Million Menschen, die nachts draußen in der Kälte ausharren müssen, die keine Möglichkeit haben, irgendwohin zu können oder Schutz zu finden.

Wir brauchen unverzüglich einen Stopp der Bombardierung der Region Idlib. Die Türkei muss aufhören, Dschihadisten in der Region zu unterstützen. Nur so können wir es schaffen, dass die humanitäre Hilfe geleistet werden kann im Rahmen eines humanitären Korridors, damit nicht täglich weiter Menschen und Kinder dort sterben und erfrieren. Das bedeutet vor allen Dingen auch, dass man als Europa nicht davor zurückschrecken darf, auch individuelle Sanktionen zu verhängen, wenn dieser Bruch des Völkerrechts durch Russland und Syrien weiter in der Region rund um Idlib andauert.