Neue Fragen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik
May 17, 2018Wie können soziale Sicherungssysteme so weiterentwickelt werden, dass sie ein menschenwürdiges Leben für alle garantieren? Welche Leitplanken können Staaten im Zeitalter von Monopolen und weltweitem Handel noch geben? Wie verteilen wir Zeit, Wohlstand und Arbeit sinnvoll so, dass alle Menschen Raum, Sicherheit und einen bezahlbaren Ort für Solidarität, Familie und Selbstbestimmung haben? Diese und viele weitere Fragen wollen wir in unserem Programmprozess mit der gesamten Gesellschaft diskutieren. Hier gibt es einen Überblick zum Themenbereich Wirtschafts- und Sozialpolitik - mit ersten Leitfragen und Workshopergebnissen vom Startkonvent zum Grundsatzprogramm.
Das weltweite Wirtschaften hat dazu geführt, dass Regeln, die für einen sozialverträglichen Kapitalismus etwa im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft geschaffen wurden, ihre Verbindlichkeit und Wirkmächtigkeit verloren haben. Sie werden ausgehebelt, umgangen und finden keine Entsprechung auf globaler Ebene. Die inzwischen vorherrschende Art des Kapitalismus im Zeitalter der Digitalisierung ist in vielen Bereichen wieder eine primitive und ungezügelte, ähnlich der frühen Phase der Industrialisierung. Neben Arbeitnehmerrechten, Umwelt- und Verbraucherschutz geraten vor allem Mensch-Mensch-Verhältnisse weltweit unter Druck. Neue Armut ist entstanden, Armut trotz und manchmal sogar durch Arbeit, und gleichzeitig auch neuer Reichtum, Reichtum ohne Arbeit. Genauso erleben wir eine Kommerzialisierung bis in den letzten privaten Winkel hinein durch Konzerne, die keine Grenzen, dafür aber jedes Detail unseres Lebens kennen.
Gerade in Zeiten der Umbrüche, in der alte Arbeiten und Arbeitsbedingungen verschwinden, braucht es für neuen Unternehmermut genauso wie für die Ausdauer der Beschäftigten das Versprechen, dass man nicht bodenlos fällt. Ein Weg könnte sein, starke demokratische Institutionen als Fundament für eine neue Gemeinsamkeit zu etablieren, die Begegnungen ermöglichen und so für gemeinsame Lebenswirklichkeiten der Unterschiedlichen sorgen. Zu diskutieren ist, welches dafür die wichtigen Institutionen sind und welches die öffentlichen Güter in einer Gesellschaft, die altert und durch Einwanderung in Bewegung bleibt. Doch wie können wir diese Institutionen finanzieren, auch in strukturschwachen Gegenden, in denen sie sich scheinbar kaum mehr lohnen? Und welche neuen Instrumente können helfen, eine faire Finanzierung des Gemeinwohls, aus der sich gerade die Stärksten nicht verabschieden können, sicher zu stellen?
Dringenden Veränderungsbedarf hat auch unser soziales Sicherungssystem, denn es schützt in Not nicht vor Elend und garantiert den Menschen keine Anerkennung, wenn sie mal ohne Arbeit, krank, alt oder einfach nur auf sich alleine gestellt sind bei der Bewältigung des Lebens und der Erziehung ihrer Kinder. Wir wollen über Möglichkeiten für eine Garantiesicherung für Kinder, junge und ältere Menschen oder gar für alle, also auch für Erwachsene diskutieren, um ihnen ein Leben in Würde und Teilhabe zu garantieren, ganz gleich der jeweiligen Lebensumstände. Und darüber, wie wir ein neues Verständnis der Daseinsvorsorge und des Allgemeinwohls schaffen und was das für den europäischen Binnenmarkt, unseren Föderalismus und die kommunale Daseinsvorsorge bedeutet. Außerdem wollen wir endlich den alten Begriff der Solidarität mit dem Leben von heute füllen, um eine Idee von Zusammenhalt auch für die vielfältige Gesellschaft zu entwickeln.
Wir brauchen deshalb neue soziale Leitplanken, die auch dem Aufprall eines globalen, digitalen Kapitalismus standhalten, und verbindliche Regeln für weltweit operierende Unternehmen. Regeln, die ihre Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Angestellten vor Ausbeutung schützen, die es verhindern, dass mit Datenmacht oder Monopolen Grundrechte, Demokratie, Nahrungsmittelsicherheit, Natur und Selbstbestimmung in Gefahr geraten, und die dafür sorgen, dass sich auch globale Unternehmen nicht ihrer Verantwortung für das Gemeinwohl entziehen. Politische Macht muss besser organisiert sein als neue Monopole – von Saatgut bis Freundesdaten.
Leitfragen und Workshopergebnisse
Um den Einstieg in die Debatten zu erleichtern, hat der Bundesvorstand die Vielzahl der Themen in sechs Bereiche geordnet und jeweils Leitfragen erarbeitet. Denn wir stehen erst am Anfang, und am Anfang stehen Fragen, keine Antworten. Auf dem Startkonvent am 13. und 14. April 2018 haben wir in Workshops zu den einzelnen Themen offen debattiert. Hier gibt es die Leitfragen und ersten Workshopergebnisse zu den Themen Wirtschafts- und Sozialpolitik.