Wahlprogramm

Kapitel 6: International zusammenarbeiten

Eine Person hält die Europaflagge in di Luft
© gruene.de

Unser grüner Faden in der Internationalen Politik ist die Ausrichtung auf die globale sozial-ökologische Transformation. Wir setzen uns ein für eine vorausschauende, Krisen vermeidende und Widerstandskraft stärkende Politik, um den globalen Herausforderungen Klimakrise, Pandemien, Migration und wachsender Ungleichheit zu begegnen. Grundlage unserer Politik ist der feste Glaube an Kooperation und Multilateralismus, ausgehend von einer gestärkten und handlungsfähigen EU. Dabei wissen wir um die Hürden und Hindernisse, die innerhalb der EU, aber auch im globalen Machtgefüge und ducken uns vor schweren Fragen und Dilemmata nicht weg. Wir wollen die EU stärken und Bündnisse mit all denen schmieden, die bereit sind, auf Grundlage der rechtebasi erten, internationalen Ordnung und gemeinsamer Werte an der notwendigen Transformation unserer Wirtschaften und Gesellschaften zu arbeiten.Hier findest Du ausgewählte Projekte des sechsten Kapitels im grünen Bundestagswahlprogramm 2021.

  • Wir verfolgen eine ambitionierte, nachhaltige und menschenrechtskonforme Klimaaußenpolitik. Sie ist klimapolitisch notwendig, kann nachhaltige Entwicklung fördern, Ressourcenkonflikten vorbeugen und Frieden sichern. Sie bedeutet zum einen, dass wir Europäer*innen unseren Bedarf an grüner Energie durch Klimapartnerschaften decken helfen: grüner Wasserstoff statt Öl- und Gasimporte. Andererseits werden wir so endlich unserer historischen Verantwortung gerecht, indem wir Elektrifizierung und Technologietransfers insbesondere in afrikanischen Ländern vorantreiben und den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien in diesen Ländern unterstützen. Wir stärken die bestehenden Fonds für Klimaanpassung und Klimaschutz („Adaptation and Mitigation“) und setzen uns dafür ein, dass es auch einen Fonds zum Ausgleich von Schäden und Verlusten („Loss and Damage“) gibt. Daraus können zum Beispiel Klimarisikoversicherungen finanziert werden. Entwicklungs- und Investitionsbanken wie die Weltbank sollten zu Transformationsbanken umgebaut werden.
  • Resilienz gegen Epidemien erhöhen: Wir wollen die WHO in ihrer Ausstattung mit deutlich höheren Beiträgen und einem klaren Mandat als koordinierende Organisation der globalen Gesundheit stärken. In der Gruppe der G20 werden wir uns dafür einsetzen, ihr einen formellen Sitz einzuräumen. Medikamente und Impfstoffe müssen in allen Ländern erschwinglich und zugänglich sein, das Patentrecht muss entsprechend flexibel sein. Monopole auf geistiges Eigentum zur Bekämpfung von Krankheiten dürfen den Zugang zu überlebenswichtigen Schutzmaterialien, Impfstoffen und Arzneimitteln nicht versperren.
  • Für eine aktive europäische Nachbarschaftspolitik: Die EU muss vor allem in ihrer direkten Nachbarschaft mehr Verantwortung übernehmen. Die EU-Erweiterungspolitik ist dabei eine Erfolgsgeschichte, die wir fortschreiben wollen. Deshalb treten wir für konkrete Fortschritte bei der europäischen Integration der Länder des westlichen Balkans ein. In Osteuropa streiten viele mutige Menschen in Ländern wie Armenien, Georgien, der Ukraine oder Belarus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Wir stehen an ihrer Seite und fördern demokratische und sozial-ökologische Transformationsprozesse in der Region. Wir unterstützen die demokratische Zivilgesellschaft und unabhängige Medien vor Ort, wollen mehr Austausch zwischen Ost und West ermöglichen und Justizreformen vorantreiben. Im Süden braucht es eine neue Mittelmeerpolitik, die gemeinsam Entwicklungspotenziale für die Region realisiert. Gemeinsam wollen wir im Rahmen ambitionierter Energiepartnerschaften den Mittelmeerraum zu einer Plus-Energie-Region machen.
  • Erneuerte transatlantische Agenda: Die transatlantische Partnerschaft bleibt ein zentraler Stützpfeiler der deutschen Außenpolitik, jedoch muss sie erneuert, europäisch gefasst, multilateral und an klaren gemeinsamen Werten und demokratischen Zielen ausgerichtet werden. Besonders mit der Etablierung einer starken Klimapartnerschaft kann die transatlantische Partnerschaft Inspiration und Treiber für eine sozial-ökologische Transformation, die weltweit höchste Standards setzt, sein. Wir setzen auch bei Digitalisierung, der Stärkung des Multilateralismus, in Handelsfragen sowie bei der Gesundheit auf eine gute Kooperation mit den USA. Wir wollen uns gemeinsam für den weltweiten Menschenrechtsschutz, globale Rüstungskontrolle und Abrüstung eine regelbasierte Weltordnung und die Stärkung einer verantwortungsbewussten Handelspolitik einsetzen.
  • China: China ist Europas Wettbewerber, Partner, systemischer Rivale. Wir verlangen von China ein Ende seiner eklatanten Menschenrechtsverletzungen etwa in Xinjiang und Tibet und zunehmend auch in Hongkong. Es braucht einen konstruktiven Klima-Dialog mit China und wir streben gemeinsame politische, wirtschaftliche und technologische Anstrengungen sowie eine Einhaltung von nachhaltigen Produktstandards und einen transparenten Fahrplan zur Bekämpfung der Klimakrise, beispielsweise durch einen Kohleausstieg in China an. Kooperation mit China darf nicht zu Lasten von Drittstaaten oder von Menschen- und Bürger*innenrechten gehen. Unsere Handelsbeziehungen mit China wollen wir nutzen, um fairen Marktzugang für ausländische Investitionen, Rechtssicherheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen einzufordern. Dem europäisch-chinesischen Investitionsabkommen CAI können wir in seiner jetzigen Form nicht zustimmen.
  • Russland: Russland hat sich zunehmend in einen autoritären Staat gewandelt, dessen Außenpolitik durch militärische und hybride Mittel immer offensiver Demokratie, Stabilität und Frieden in der EU und in der gemeinsamen Nachbarschaft gefährdet. Gleichzeitig erstarkt die Demokratiebewegung in Russland. Die mutige Zivilgesellschaft, die der immer härteren Repression durch den Kreml die Stirn bietet und für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpft, wollen wir unterstützen und den Austausch mit ihr intensivieren. Für eine Lockerung der Sanktionen, die wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und des militärischen Vorgehens gegen die Ukraine gegen Russland verhängt wurden, hat die EU klare Bedingungen formuliert. An diesen werden wir festhalten und die Sanktionen bei Bedarf verschärfen. Wir verlangen, dass die russische Regierung ihre Zusagen aus dem Minsker Abkommen umsetzt. Das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 trägt nicht zum Klimaschutz bei, richtet sich gezielt gegen die energie- und geostrategischen Interessen der Europäischen Union, gefährdet die Stabilität der Ukraine und muss daher gestoppt werden.
  • Entwicklung ermöglichen, Schulden streichen:
    Viele Länder des globalen Südens befinden sich in einer Schuldenkrise. Das derzeitige Schuldendienstmoratorium ist richtig, verschiebt das Problem aber in die Zukunft. Wir brauchen solide Schuldenrestrukturierungen und auch Schuldenerlasse, die Ländern Luft für eine nachhaltige Entwicklung verschaffen. Um für künftige Überschuldungskrisen vorzusorgen, setzen wir uns für ein bei den Vereinten Nationen angesiedeltes, transparentes und unabhängiges Schuldenrestrukturierungsverfahren für Staaten ein. Private Gläubiger müssen rechtlich dazu verpflichtet werden, an einem solchen Verfahren teilzunehmen, damit Entschuldungen nicht mehr blockiert werden können und so etwa Geierfonds auf Kosten anderer profitieren. Solange eine internationale Lösung nicht durchsetzbar ist, müssen Deutschland und andere Regierungen mit koordinierter Gesetzgebung den Anfang machen. Damit wollen wir den zu hoch verschuldeten Staaten im globalen Süden weitere Handlungsspielräume für sozial-ökologische Transformationsprozesse ermöglichen, etwa um ihre Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme zu verbessen.
  • Feministische Außenpolitik: Wir gestalten unsere Außen-, Entwicklungs-, Handels- und Sicherheitspolitik feministisch. Frauen, Mädchen und marginalisierte Gruppen wie LSBTIQ*-Personen sind in besonderem Maße von Kriegen, Konflikten und Armut betroffen. Die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Rolle als Gestalter*innen in der internationalen Politik fördert Frieden, Entwicklung, Stabilität und Sicherheit. Es geht darum, die diversen Perspektiven von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen zu stärken, zu schützen und bei allen bi- oder multilateralen Verhandlungen immer mindestens gleichberechtigt einzubeziehen.
  • Kriegsverbrecher*innen zur Rechenschaft ziehen: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen dürfen nicht ungestraft bleiben – als Zeichen der Gerechtigkeit an die Opfer, als Signal der Abschreckung, als Voraussetzung für Frieden und Versöhnung. Das deutsche Völkerstrafrecht bietet die Möglichkeit der Verurteilung auch hier in Deutschland. Dazu werden wir die Kapazitäten beim Bundeskriminalamt und der Generalbundesanwaltschaft ausbauen. Die Ermittlungen in Fällen sexualisierter Gewalt sollten verbessert und die Strafprozessordnung sollte dort reformiert werden, wo sie den Besonderheiten von Völkerstrafrechtsverfahren noch nicht Rechnung trägt. Darüber hinaus setzen wir uns für die zivilrechtliche Haftbarmachung von Unternehmen für schwerste Menschenrechtsverletzungen ein. International setzen wir uns für die Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofes und des Mechanismus der Vereinten Nationen für die Untersuchung und Verfolgung von schwersten Kriegsverbrechen in Syrien (IIIM) ein – politisch wie finanziell. Gerade Kinder und Jugendliche, die sexualisierte und geschlechtsbasierte Gewalt, Entführungen, Rekrutierung als Kindersoldat*innen erlebt haben, leiden unter schweren Traumata. Wird dieses Leid nicht aufgearbeitet, beeinträchtigt es das Leben dieser Menschen und ihrer Familien sowie den gesellschaftlichen Zusammenhalt über Generationen. Die individuelle Traumabearbeitung wollen wir durch mehr qualifiziertes Personal und sichere Traumazentren vor Ort auch mit unseren internationalen Partnern und in Deutschland deutlich ausbauen.

Das Wahlprogramm wurde auf dem digitalen Parteitag vom 11. bis 13. Juni 2021 von den grünen Delegierten diskutiert und beschlossen. Hier findest Du den vorläufigen Programmtext zum Download. Die finale Fassung findest Du hier ab dem 9. Juli.