Parteitag in Bielefeld

Im Mittelpunkt steht der Mensch, nicht maximale Gewinne

Totale der Stadthalle Bielefeld

Die sozial-ökologische Transformation stand im Mittelpunkt des dritten und letzten Tages des 44. Bundesparteitages der GRÜNEN in Bielefeld. Die Delegierten einigten sich nach einer mehrere Stunden andauernden Debatte auf zwei umfangreiche Beschlüsse zu Klima- und Wirtschaftspolitik.

„Drehen wir dieses System, das unsere Lebensgrundlagen zerstört, drehen wir es in ein sozial-ökonomisches System!“
Annalena Baerbock

Die sozial-ökologische Transformation stand im Mittelpunkt des dritten und letzten Tages des 44. Bundesparteitages der GRÜNEN in Bielefeld. Die Delegierten einigten sich nach einer mehrere Stunden andauernden Debatte auf zwei umfangreiche Beschlüsse zu Klima- und Wirtschaftspolitik. Ökologie und Ökonomie seien eng miteinander verknüpft, sagte die Bundesvorsitzende Annalena Baerbock in ihrer Rede. Deshalb sei es an der Zeit, die Umweltpolitik und vor allem die Wirtschaftspolitik darauf auszurichten, „dass der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht maximale Gewinne."

Zukunftsfähig wirtschaften für nachhaltigen Wohlstand

Wohlstand soll künftig von Wachstum und Wachstum so weit möglich auch von Ressourcenverbrauch entkoppelt werden. Anstelle des Bruttoinlandsproduktes schlägt der Beschluss "Zukunftsfähig wirtschaften für nachhaltigen Wohlstand - Rahmen setzen für die sozial-ökologische Marktwirtschaft" ein neues Wohlstandsmaß vor und eine neue Form der Wirtschaftsberichterstattung, um neben den ökonomischen auch ökologische, soziale und gesellschaftliche Entwicklungen zu messen.

Über das Steuern-, Abgaben- und Ordnungsrecht sollen die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden für eine zukunftsfeste Wirtschaft. Der Beschluss sieht vor, die ökologische Transformation von Unternehmen durch bessere Abschreibungs- und Fördermöglichkeiten zu unterstützen. Es gilt, umwelt- und klimaschädliche Subventionen konsequent abzubauen und den ökologischen Umbau über Quoten etwa für klimaneutralen Stahl planungssicher zu gestalten.

Grundsätzlich soll der Ressourcenverbrauch reduziert werden hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Durch gezielte Investitionen soll eine marode Infrastruktur wie verfallene Brücken, baufällige Schulen oder überwucherte Bahnlinien zukunftsfest gemacht werden. Außerdem wollen wir einen starken europäischen Wirtschaftsraum schaffen, der Standards setzt und sich gegenüber konkurrierenden globalen Wirtschaftsräumen behauptet.

Für den Wandel der Arbeitswelt haben wir Ideen, um ihn aktiv mitzugestalten, unter anderem durch die Herstellung von besseren Arbeitsbedingungen und eine Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro – ausnahmslos. Es soll einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung geben, die bisherige Arbeitslosenversicherung soll dafür zu einer Arbeitsversicherung umgebaut werden. Die freiwillige Arbeitslosenversicherung muss mit attraktiven Konditionen für Selbstständige geöffnet werden.

Gründerinnen und Gründern soll ein unbürokratisches Gründerkapital in Höhe von maximal 25.000 Euro zur Verfügung stehen. Für die Förderung von Start-Ups und Venture Capital soll es einen öffentlichen Zukunftsfonds geben. Dieser fördert Start-Ups mit Eigenkapital und fungiert so als stiller Teilhaber. So wird mehr Wagniskapital zur Verfügung gestellt und der Ausverkauf erfolgreicher Start-Ups an ausländische Konzerne verhindert.

Handeln – und zwar jetzt

Mit dem Beschluss „Handeln – und zwar jetzt!“ einigten sich die Delegierten am Sonntagmittag auf einen konsequenten, umfassenden und zeitnah umsetzbaren Maßnahmenkatalog zur Eindämmung der Klimakrise. Der Beschluss sieht ein umfangreiches Klimaschutzgesetz vor, das – im Gegensatz zu dem der Bundesregierung – sowohl klar festgelegte Ziele, Maßnahmen und CO2-Minderungspfade für alle Sektoren als auch Sanktionsmöglichkeiten bei Verfehlen der Vorgaben enthält. Als verbindliches Ziel soll dabei das Pariser Klimaabkommen gelten. Die international vereinbarten Klimaschutzziele sollen in die Verfassung aufgenommen werden, genauso wie eine CO2-Bremse, mit der jedes neue Gesetz auf seine Klimawirksamkeit überprüft werden soll.

Aus den Einnahmen einer CO2-Bepreisung von zunächst 40 Euro pro Tonne ausgestoßenem CO2 (60 Euro ab 2020) soll jeder Einwohnerin und jedem Einwohner jährlich ein Energiegeld zurückbezahlt werden. Im europäischen Emissionshandel soll ein Mindestpreis von 40 Euro pro Tonne CO2 eingeführt werden.

Durch ein Kohleausstiegsgesetz soll der Kohleausstieg eingeleitet werden. Hierüber müssen über die nächsten drei Jahre mindestens ein Viertel der Braunkohle- und ein Drittel der Steinkohlekapazitäten stillgelegt werden. Für die Zeit danach braucht es einen verbindlichen Abschaltplan. Die Windkraft ist das Rückgrat der Energiewende und soll in den nächsten zehn Jahren mindestens verdoppelt werden. Auch Solarenergie muss ausgebaut werden. Für mehr erneuerbare Energien in den Bereichen Industrie, Wärme und Verkehr sollen Energiepartnerschaften mit EU-Nachbarstaaten aus dem Sonnengürtel zur Produktion von solarem Wasserstoff geschlossen werden.

Der Bundesverkehrswegeplan, der bislang auf Straßenbau ausgerichtet ist, soll zu einem Bundesnetzplan für Mobilität werden. Der Parteitagsbeschluss sieht vor, dass ab 2025 keine neuen Bundesstraßen mehr in Angriff genommen werden dürfen, sondern der Ausbau der Schiene in den Vordergrund gehört. Spätestens ab 2030 sollen nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden.

Die Parteitagsbeschlüsse in voller Länge gibt es hier.