Gesine Agena, stellvertretende Bundesvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, begrüßte die anwesenden Frauen und berichtete erfreuliche Neuigkeiten: Die Grünen dürfen sich nun über 80.000 Mitglieder freuen! Das ist auch aus frauenpolitischer Sicht ein Grund zum Feiern: Denn es treten nicht nur viele junge Mitglieder ein, sondern auch immer mehr Frauen. Wir werden jünger und weiblicher.
Gemeinsam für Lesbische Sichtbarkeit
Anschließend
widmete sich ein Podium unter der Leitung von Marion Lüttig,
Mitglied des Präsidiums des Bundesfrauenrates, dem Thema Lesbische
Sichtbarkeit. Die Autorin und Journalistin Stephanie Kuhnen machte
auf die Mehrfachdiskriminierungen aufmerksam, die lesbische Frauen
erleben. Allzu oft würden in öffentlichen Debatten um
Homosexualität vor allem schwule Männer repräsentiert, während
lesbische Frauen mit ihren Themen marginalisiert würden. Die
Leiterin der Gedenkstätte Ravensbrück Dr. Insa Eschebach lenkte den
Blick auf die Ermordung und Folterung lesbischer Frauen in
Konzentrationslagern und zeigte auf, dass diese Frauen in der
deutschen Gedenkkultur bis heute keinen angemessenen Platz gefunden
haben. Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der
Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, wies auf die aktuelle
politische Debatte um die Reform des Abstammungsrechts hin. Diese
betreffe vor allem lesbische Paare, da es sich bei über 90 Prozent
der Regenbogenfamilien in Deutschland um sogenannte
Zweimütterfamilien handele. Die frauen- und geschlechterpolitische
Sprecherin des Landesvorstandes von Bündnis 90/Die Grünen in
Berlin, Ina Rosenthal, warb für eine Emanzipationsbewegung der
Vielfältigen – denn gerade in den heutigen Zeiten gelte es,
sich miteinander zu solidarisieren.
Im Anschluss an die Debatte
fassten Bundesfrauenrat und BAG Frauenpolitik den Beschluss „Gemeinsam für lesbische Sichtbarkeit – LBTIQ*-Frauen stärken“.
Grundsatzprogramm
Schwerpunktmäßig stand die gemeinsame Sitzung ganz im Zeichen des grünen Grundsatzprogrammprozesses. Nachdem Ende März der Zwischenbericht zum Grundsatzprogramm vorgestellt wurde, beschäftigten sich der Bundesfrauenrat und die BAG Frauenpolitik eingehend mit den feministischen und geschlechterpolitischen Aspekten des Textes. Gesine Agena stellte den Zwischenbericht vor und erläuterte, dass sich Feminismus als roter Faden durch das Grundsatzprogramm ziehen würde. „Denn Frauenrechte sind ein Seismograph für den Zustand jeder Demokratie“, so Gesine Agena. Auch Dr. Antje Schrupp (Autorin), Barbara Unmüßig (Vorständin der Heinrich-Böll-Stiftung) und Dr. Meltem Kulaçatan (Goethe Universität Frankfurt am Main) kommentierten den Zwischenbericht aus feministischer Perspektive.
Geburtshilfe stärken – Hebammenberuf sichern
Am Nachmittag
beschäftigte die Gremien die Situation der Hebammen, die unter
schlechter werdenden Arbeitsbedingungen und steigenden Kosten
zunehmend unter Druck geraten. Martina Schulze, Vorsitzende des
Hebammenverbandes Brandenburg e.V., berichtete, dass Hebammen in
Kreißsälen derweilen bis zu vier Gebärende zeitgleich betreuen
müssten. Dies führe zu massiven Überstunden, Überlastung und
inadäquater individueller Betreuung. Kirsten Kappert-Gonther, MdB,
forderte, dass die Regierung die Akademisierung des Hebammenberufes
endlich umsetzen müsse. So könne eine Aufwertung des Berufes und
eine angemessene Bezahlung gemäß der Qualifikationen realisiert
werden. Um den Hebammenberuf auch in Zukunft zu sichern, hat der
Bundesfrauenrat den Beschluss „Geburtshilfe stärken – Hebammenberuf sichern“ verabschiedet.
Zum Ausklang des
arbeitsreichen Sitzungstages trug die Poetry Slammerin Svenja Gräfen
einige ihrer Texte vor.
Parität
Am Sonntag diskutierten wir gemeinsam mit Ulle Schauws (MdB), Ursula Nonnemacher (MdL in Brandenburg) und Prof. Dr. Maria Wersig (Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes) zum Thema Parität in den Parlamenten. Obwohl Frauen in Deutschland seit 100 Jahren wählen dürfen, sehen wir, dass der Anteil an weiblichen Abgeordneten im Bundestag nicht steigt, sondern sinkt. Der Bundesfrauenrat hat deshalb einen Beschluss gefasst, der die Forderung nach einem Paritätsgesetz unterstreicht. Wir wollen erreichen, dass die Hälfte des Parlaments mit Frauen besetzt ist - und damit die Gesellschaft widerspiegelt.
Intersektionaler, solidarischer Feminismus
Am Sonntagmittag fassten die Delegierten außerdem einen Beschluss zum intersektionalen Feminismus. Wir nehmen unterschiedliche Diskriminierungsformen ernst und bekämpfen sie gemeinsam. Und wir stellen uns solidarisch an die Seite aller Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religion, Sexualität oder Behinderung angegriffen werden. Gerade in Zeiten, in denen rechtspopulistische Kräfte erstarken, muss Feminismus antirassistisch und solidarisch sein.
Präsidiumswahlen
Zum Ende der gemeinsamen Sitzung standen abschließend die Wahlen des Präsidiums des Bundesfrauenrates auf der Tagesordnung. Wir freuen uns auf weitere zwei Jahre mit unserem Präsidium bestehend aus Sandra Hildebrandt, Marion Lüttig, Katja Meier und Josefine Paul.