Corona-Krise

Beschluss des Bundesvorstands: Gemeinsam besser, besser gemeinsam

Die Auseinandersetzung um den richtigen Kurs für Deutschland wird dieses Jahr bestimmen. Corona lehrt uns, dass es Zeit ist, aus dem Denken im Status-Quo heraus zu kommen. Deutschland kann es besser.

Das neue Jahrzehnt beginnt so dunkel und distanziert, wie das alte geendet hat. Es fällt schwer, zuversichtlich nach vorne zu schauen, während wir uns weiter im Zwei-Wochen-Rhythmus von Lockdown zu Lockdown vorantasten, um uns gegenseitig zu schützen.

Die Talsohle der Pandemie ist trotz der beginnenden Bereitstellung der Impfstoffe noch nicht durchschritten, vor uns liegen schwere Wochen. Täglich erwachen wir mit neuen, erschreckenden Todeszahlen. „Nachverfolgbarkeit“ klingt längst wie ein Fremdwort, Impfstoffe werden nicht rechtzeitig ausgeliefert, Achtzigjährige warten frustriert in Telefonschlangen auf einen Termin, Kinder haben wieder keine Schule und digitaler Unterricht verläuft schleppend, wenn überhaupt. Gleichzeitig droht die Mutation des Virus dessen Ausbreitung zu beschleunigen.

Vordringliches Ziel der nächsten Wochen ist daher, die Zahl der Infektionen drastisch zu senken. Dafür müssen die Kontaktzahlen weiter sinken, nicht nur im privaten Bereich, sondern auch in öffentlichen Verkehrsmitteln und Büros. In der aktuellen Situation ist es geboten, dass zu Hause arbeitet, wer zu Hause arbeiten kann. Die Erfahrung zeigt, dass dies nicht funktioniert. Wie soll man Eltern erklären, dass ihre Kinder nicht in die Schule können, während die S-Bahn voll ist mit Menschen, die in ihre Büros fahren, um dort am Computer zu sitzen? Es braucht deshalb sowohl ein Recht auf Home-Office als auch ein Gebot für Arbeitgeber*innen, dies zu ermöglichen. Um die Bevölkerung zu schützen, müssen außerdem Schnelltests ausgeweitet und auch als Heimtest zugelassen sowie medizinische Masken zuverlässig zur Verfügung gestellt werden.

Wie schnell wir aus der Krise herauskommen, ist mit der Bereitstellung der Impfstoffe zunehmend zu einer Frage konsequenten Regierungshandelns, guter Organisation und Kommunikation geworden. Die Zahl der Impfungen muss schnell erhöht, Impfungen koordiniert, zügig und konsequent durchgeführt werden. Regierungen haben in diesen schweren Monaten die Pflicht, verantwortungsbewusst und solidarisch zu handeln. Sonst gefährden sie die Verantwortungsbereitschaft und Solidarität der großen Mehrheit der Menschen im Land, ohne die die Pandemie nicht zu bestehen ist. In einer solchen Situation sind die gegenseitigen Schuldzuweisungen der Regierungsparteien Union und SPD fatal.

Es gibt trotzdem gute Gründe zuversichtlich zu sein. Die Impfstoffe wurden in nie gekannter Schnelligkeit entwickelt. Die vielen Menschen geben Hoffnung, die sich unterhaken, die trotz knappen Personals in der Pflege, in den Krankenhäusern, in den Gesundheitsämtern Unglaubliches leisten. Wir lassen uns als Gesellschaft nicht unterkriegen.

Jeder Schritt aus dieser Pandemie schafft auch eine neue Chance, voranzubringen, was uns in Zukunft ausmachen soll. Unser Land braucht gerade jetzt Perspektiven, eine Idee, wo wir in diesem Jahrzehnt hinwollen. In welche Zukunft wir investieren. Wir dürfen jetzt nicht nur retten und dann zurück ins Gestern, sondern wir müssen, ja können umsteuern und die Dinge besser machen.

Dann haben wir die große Chance, stärker aus dieser Krise zu kommen als wir in sie hineingegangen sind. So elend diese Tage sind, so prägend können sie auch werden: Die Erfahrung, dass wir uns aufeinander verlassen können, ist Keim für den Mut, große Entscheidungen für unsere Zukunft zu treffen. Dies sind einsame Tage, aber sie sind politisch bedeutsam wie lange nicht.

Wie wir in dieser Zeit miteinander umgehen, was wir einander abverlangen und zurückgeben, setzt Signale für unsere Zukunft. Schauen wir auf die junge Generation. Junge Menschen sind von dieser Pandemie gesundheitlich weniger, aber dafür sozial hart getroffen: Die ohnehin geringen Einkommen von Auszubildenden und Studierenden sind weggebrochen, Jugendliche sind auf sich zurückgeworfen. Aber ihre Solidarität ist Voraussetzung dafür, dass wir die Infektionszahlen senken. Es ist deshalb unsere politische Verpflichtung, der jungen Generation die gleiche Solidarität zurückzugeben. Dazu gehören materielle Hilfen für Studierende und Auszubildende, eine Ausbildungsgarantie, aber auch ein festes Versprechen, verlässlich in ihre Zukunft zu investieren, in gute Schulen und Universitäten, zügige Digitalisierung und ambitionierten Klimaschutz.

Schauen wir auf die Frauen in unserem Land. In den Familien, bei den sozialen Berufen hat die Pandemie sichtbar gemacht, wie sehr unser gesellschaftliches Zusammenleben und wirtschaftlicher Wohlstand auf der Arbeit von Frauen beruhen. Trotzdem mussten sie während der Corona-Krise immer wieder zurückstecken. Ob gerechte Bezahlung oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Alleinerziehende, Jahrzehnte frauenpolitischer Versäumnisse treten in aller Deutlichkeit an die Oberfläche und müssen jetzt dringend nachgeholt werden.

Die Erfahrung der Pandemie kann traumatisch wirken oder hingegen den Grundstein legen für Verbesserungen unseres gesellschaftlichen Lebens für die Zukunft. Das haben wir selbst in der Hand. Der Staat kann nicht alle Probleme lösen, aber er kann alles daran setzen, Ungerechtigkeiten in der Pandemie zu sehen und zu beheben und individuelle Risiken besser abzusichern.

Menschen sind bereit, viel zu tragen, aber sie werden unzufrieden, wenn sie sich für Informationen die Finger wundtelefonieren müssen, mürbe, wenn sie monatelang auf versprochene Hilfen warten müssen. Sie gewinnen Vertrauen, wenn sie spüren, da ist ein Staat, der funktioniert. Ein Staat, auf den man sich verlassen kann. Daraus erwächst eine Aufgabe für die Zukunft: Verwaltung noch effizienter, digitaler und zugleich bürgernäher zu machen, damit es den Menschen leichter gemacht wird, ihr Leben zu organisieren. Die Leistungen der öffentlichen Hand müssen leichtgängig, verständlich und schnell sein.

Familie und Nachbarschaft, Freunde und Hilfsbereitschaft, das vermeintlich Selbstverständliche wird uns als Kostbares bewusst. Gerade in dieser Phase, wo wir alle zurückgeworfen sind auf unsere sozial ungleichen privaten Räume, hat der Staat die Aufgabe, in die gemeinsamen Räume zu investieren, dort wo in guten Zeiten unser Leben jenseits der eigenen vier Wände stattfindet: Bibliotheken, Schwimmhallen, Schulen, Kulturorte, Innenstädte. Wir müssen jetzt in das investieren, was uns stark macht: eine gute Gesundheitsversorgung, beste Bildung, fair bezahlte Arbeit, eine moderne und intakte Infrastruktur. Politik muss in dieser sensiblen Phase der Pandemie alles dafür tun, zu erhalten, was uns zusammenhält.

Mit dem Jahr 2021 muss Politik zu neuem Mut zurückfinden, zum Mut, Dinge anders zu machen, die Systeme unseres Wohlstandes nicht nur zu reparieren, sondern gerechter neu zu bauen.

Vorsorgen, um unsere Gesundheit zu schützen

Gesundheitspolitik darf nicht erst dann ansetzen, wenn Menschen erkranken, sondern muss sich um die Gesundheit aller sorgen. Wer in der Fleischindustrie unter prekären Bedingungen arbeitet, in einer schimmeligen Wohnung wohnt, mit Kindern in zu engen Verhältnissen, oder mit Hartz IV in Armut lebt, kann seine Gesundheit schlecht schützen, hat eine höhere Wahrscheinlichkeit zu erkranken und oft einen schlechteren Zugang zu guter Gesundheitsversorgung.

Der öffentliche Gesundheitsdienst muss gestärkt werden, gemeinsam durch Bund und Länder. Langfristig soll ein Prozent der Gesundheitsausgaben in den öffentlichen Gesundheitsdienst fließen. Darüber hinaus schlagen wir vor, einen Gesundheitscheck für politische Entscheidungen einzuführen. Dabei soll eine gesundheitliche Folgenabschätzung in politische Entscheidungsprozesse integriert werden, sodass auch bei der Diskussion von verkehrs-, sozial- oder klimapolitischen Maßnahmen der Gesundheitsschutz eine wichtige Rolle spielt.

Bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege

Wir erleben Tag für Tag, was die Beschäftigten, insbesondere Frauen, in Gesundheitsberufen und insbesondere in der Pflege leisten. In der Pflege ist der Notstand längst zum Normalzustand geworden, schon vor der Pandemie. Dabei wünscht jeder Mensch sich Pflegekräfte, die sich bei Bedarf mit Sorgfalt um sie kümmern können. Doch dafür muss sich was ändern. Pflegekräfte brauchen ausreichend Zeit für die Patient*innen und bessere Arbeitsbedingungen, unter denen sie gut und gerne arbeiten können. Das geht nur mit mehr Kolleg*innen, mehr Personal in der Pflege. Deshalb ist es Zeit, bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege zu schaffen; durch verbindliche, wissenschaftlich basierte Personalbemessung, auch in der Langzeitpflege, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr eigenverantwortliche Arbeit von Fachkräften und die Einführung der 35-Stunden-Woche.

Wertschätzung braucht angemessene Löhne – in der Altenpflege am besten über einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag. Wenn dieser nicht zustande kommt, wollen wir die soziale Pflegeversicherung verpflichten, nur noch mit Anbietern zusammenzuarbeiten, die nach Tarif bezahlen.

Pflegenden Angehörigen den Rücken stärken

Fast fünf Millionen Menschen in Deutschland pflegen die Freundin, einen Nachbarn, den eigenen Vater oder die Großmutter. Ohne ihre Arbeit stünde das pflegerische System in Deutschland vor dem Zusammenbruch. In der Corona-Krise sind pflegende Angehörige, oftmals Frauen, besonders unter Druck geraten, weil Betreuungsangebote wegfallen und sie ihnen anvertraute Menschen vor einer Ansteckung schützen wollen. Wir wollen pflegenden Angehörigen ermöglichen, drei Monate bei Lohnersatz freigestellt zu werden, ähnlich wie beim Elterngeld, damit sie ihre Erwerbstätigkeit nicht aufgeben müssen. Gleichzeitig sollen ambulante Pflege- und Wohnformen stark ausgebaut werden - eingebettet in ein Umfeld, das ältere Menschen unterstützt, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Dafür sollen die Kommunen eine verbindliche Pflegebedarfsplanung vornehmen können. Ein Bundesprogramm soll eine Anschubfinanzierung für Kommunen bereitstellen.

Gute Versorgung in der Stadt und auf dem Land

Gesundheit ist Daseinsvorsorge. Sie muss für Menschen auf dem Land genauso garantiert sein wie für Menschen in der Stadt. Welche Angebote zur Gesundheitsversorgung es vor Ort gibt, darf nicht länger davon abhängen, was sich rentiert, sondern soll sich danach richten, was hilft. Dafür braucht es mehr Zusammenarbeit und Kooperation zwischen Krankenhäusern und ambulanten Einrichtungen in der Gesundheitsversorgung und zwischen den Gesundheitsberufen, beispielsweise in kommunalen Gesundheitszentren.

Kliniken sollen in Zukunft nicht mehr nur nach Leistung, sondern auch nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Es bedarf einer zusätzlichen Säule der Strukturfinanzierung und einer Reform der Fallpauschalen. Um den Stillstand bei den Investitionen in die Krankenhäuser zu beenden, sollten Bund und Länder die Investitionskosten in Zukunft gemeinsam tragen.

Ortskerne und Innenstädte wiederbeleben

Während des Lockdowns wirken unsere Ortskerne wie Geisterstädte. Wenn wir nicht aktiv gegensteuern, wird mancher Laden, Kulturbetrieb, Verein oder manches Unternehmen auch nach dem Lockdown nicht wieder aufmachen. Der Staat kann nicht jeden retten und mancher Wandel wird durch die Pandemie lediglich beschleunigt, doch es ist eine staatliche Aufgabe, den öffentlichen Raum, kulturelle und wirtschaftliche Orte zu erhalten, sie wiederzubeleben.

Der Einzelhandel baut in der Pandemie unter Hochdruck seine eigenen Online-Angebote aus, um nicht dauerhaft vor Amazon und Co in die Knie zu gehen, die während dieser Pandemie ihren Gewinn gegenüber dem Vorjahr verdreifachen konnten. Zu einem fairen Wettbewerb gehört deshalb auch endlich eine gerechte Besteuerung der großen Digitalkonzerne. Es ist unsere eigene Verantwortung als Konsument*innen, zuerst auf der Website unseres lokalen Einzelhandels zu schauen und dort zu bestellen. Es ist Aufgabe der Politik, den Einzelhandel dabei zu unterstützen, die Herausforderungen der Pandemie zu bestehen. Dazu gehört, den Aufbau unabhängiger digitaler Plattformen zu fördern.

Ein konkretes Problem in der Pandemie sind Gewerbemieten. Kleineren Gewerben, Sozial- und Kulturprojekten, Clubs und Handwerksbetrieben kann über das Gewerbemietrecht und über das Baurecht konkret geholfen werden. Auch für Gewerbetreibende braucht es eine Begrenzung von Mieterhöhungen, eine Mietpreisbremse bei Neuvermietung und einen wirksamen Kündigungsschutz. Eine vertragliche Neuanpassung der Miethöhe muss angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen dieser außergewöhnlichen Krise rechtssicher möglich gemacht werden.

Damit Kommunen gezielt Immobilien ankaufen und aus ungenutzten Flächen und Leerstand frische Ideen entstehen können, wollen wir einen neuen Städtebau-Notfallfonds mit einem Volumen von einer halben Milliarde Euro ins Leben rufen.

Viele Kommunen sind finanzschwach oder verschuldet und ihr Handlungsspielraum ist dadurch in einem Maße eingeschränkt, den die Menschen vor Ort unmittelbar spüren. Deshalb ist es unser Ziel, die Gemeindefinanzen besser aufzustellen und zu reformieren. Dazu gehört eine faire und gerechte Altschuldenhilfe für die Kommunen, finanziert durch den Bund und die jeweiligen Länder.

Selbstständige unterstützen

Die Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft in der Pandemie gehen an der Lebensrealität der meisten Solo-Selbstständigen vorbei. Das muss sich dringend ändern. Es geht um Betreiber*innen von Läden und Cafés, die unsere Innenstädte vielfältig machen, Gründer*innen, die wirtschaftlich für neue Ideen und Innovationen sorgen, Kunst- und Kulturschaffende. Die Überbrückungshilfen müssen daher umgehend entbürokratisiert werden. Solo-Selbständige und Kulturschaffende müssen gleichberechtigt mit anderen Wirtschaftsverbänden bei der Ausgestaltung und Nachbesserung von Hilfsprogrammen einbezogen werden. Ein Unternehmer*innenlohn von 1180 Euro beispielsweise würde verhindern, dass vielerorts die Altersrücklage aufgelöst oder Ausgaben für die Generierung neuer Aufträge eingestellt werden müssen.

Weiterbildung garantieren

Durch die Pandemie sind Millionen Menschen in Deutschland in Kurzarbeit, verlieren ihren Arbeitsplatz oder stehen vor dauerhaften Veränderungen ihrer Arbeitswelt. Die Möglichkeit zur beruflichen Neuorientierung gehört zu einer Arbeitswelt im Umbruch dazu. Wir wollen, dass jede*r – egal, ob arbeitslos, in Erziehungszeit, selbständig oder angestellt – künftig selbstbestimmt neue berufliche Perspektiven entwickeln kann. Dazu gehört ein individueller Rechtsanspruch auf Weiterbildung, abgesichert durch ein Weiterbildungsgeld und ein Weiterbildungs-Bafög. So profitieren auch diejenigen, die bei der beruflichen Weiterbildung bislang das Nachsehen haben, etwa Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und alle prekär Beschäftigten.

Arbeit versichern, nicht erst Arbeitslosigkeit

Heute werden Arbeitslose gezwungen, neue Arbeit anzunehmen, selbst wenn sie prekär ist. Diesen Vermittlungsvorrang wollen wir streichen, damit Arbeitslose, die z.B. eine Ausbildung für einen Mangelberuf wie beispielsweise in der Pflege machen wollen, dies künftig auch dürfen. Wir wollen die Arbeitsmarktpolitik auf die Zukunft ausrichten und die Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung umbauen. Zentral dafür ist ein Rechtsanspruch auf Weiterbildung und die Stärkung der beruflichen Qualifikation. Um einer Lebensrealität mit häufigeren Jobwechseln gerecht zu werden, wollen wir den Zugang zur Arbeitsversicherung deutlich erleichtern und bereits ab vier Monaten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung einen Anspruch auf Arbeitslosengeld einführen. Wir wollen Gründungen aus Phasen der Arbeitslosigkeit heraus besser fördern, durch die Krise zurückgeworfene junge Berufsanfänger*innen mit einem Einstiegsbonus eine Brücke in den Arbeitsmarkt bauen und einen verlässlichen sozialen Arbeitsmarkt schaffen, der Menschen, die aufgrund von Einschränkungen keine Chancen am regulären Arbeitsmarkt haben, eine bessere Perspektive in Arbeit gibt.

Hartz IV durch eine Garantiesicherung ersetzen

Aufgrund von Corona wurde der Zugang zur Grundsicherung vereinfacht und entbürokratisiert, zumindest in einigen ersten Schritten. Es macht keinen Sinn nach Ende der Corona-Krise zum alten, entwürdigenden System zurückzugehen. Stattdessen sollte Hartz IV jetzt durch eine Garantiesicherung ersetzt werden. Die Garantiesicherung ist einfach und unbürokratisch. Auf die Garantiesicherung haben alle einen Anspruch, deren eigenes Vermögen und Einkommen nicht ausreicht. Dabei berücksichtigen wir nur noch die wirklich hohen Vermögen, über 200.000 Euro, so dass in den allermeisten Fällen auf eine Prüfung ganz verzichtet werden kann. Die Einkommensanrechnung wird verbessert, sodass die Menschen künftig mehr behalten dürfen, wenn sie hinzuverdienen. Das schafft die Voraussetzungen, um die Verwaltung von Grundsicherung und die Arbeitsverwaltung voneinander zu trennen. Die Arbeitsagenturen können sich künftig ganz auf Beratung, Qualifizierung und Vermittlung konzentrieren.

Die Regelbedarfe der Grundsicherung waren schon vor Corona zu niedrig, um das soziokulturelle Existenzminimum zu garantieren. Eine Neuberechnung ist erforderlich, aber in der Krise nicht leistbar. Daher müssen temporäre Corona-Sonderbedarfe eingeführt werden. Besonders Alleinerziehende, die von Armut stark betroffen sind, brauchen hier eine deutliche Aufstockung, und auch die Leistungen für Kinder müssen steigen. So kommt das Geld bei denen an, die es am dringendsten benötigen und es sofort wieder verausgaben, was die Konjunktur stärkt und einen Aufschwung unterstützt.

In unser Land investieren

Die Frage, die wir jetzt beantworten müssen, ist nicht, wer nach der Pandemie wie viel Geld an wen zurückzahlt, sondern in was wir investieren, damit es in unserem Land wieder voran geht. Wenn unsere Kinder endlich in die Schulen zurückkehren können, sollen sie sehen, dass die Toiletten repariert wurden, die seit Jahren nicht benutzbar waren und dass ihr Klassenraum Internetzugang hat.

Die Wirtschaftsforschungsinstitute von Gewerkschaften und Arbeitgebern kommen zu einem Investitionsbedarf von 450 Milliarden in den kommenden zehn Jahren. Es wäre völlig falsch, wenn wir, wie von der Koalition aus Union und SPD geplant, die rigide Schuldenbremse 2022 unverändert wieder anwenden würden. Dann würde die Regierung durch Sparmaßnahmen einen Wirtschaftsaufschwung nach der Krise verhindern. Dringend nötige Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz, Bildung und Digitalisierung würden weiter auf die lange Bank geschoben, während uns beim Klimaschutz die Zeit davon läuft und wir ökonomisch drohen, den Anschluss zu verlieren. Wir wollen zusätzliche öffentliche Investitionen im Umfang von 500 Milliarden Euro in diesem beginnenden Jahrzehnt. Dafür müssen die öffentlichen Investitionen schrittweise erhöht werden. Es braucht eine langfristige Verstetigung, damit die nötigen Kapazitäten für Planung, Bau etc. aufgebaut werden können.Finanzierbar ist dies nur, wenn wir die Corona-Schulden nicht sofort tilgen und wenn wir die Schuldenbremse so verändern, dass sie eine Kreditaufnahme für Investitionen, die das öffentliche Vermögen und unseren Wohlstand erhöhen, erlaubt. Wir können uns das leisten, denn der Bund wird für seine Kredite noch sehr lange keine Zinsen zahlen müssen. Außerdem sorgen öffentliche Investitionen für neue und zukunftssichere Jobs und steigende Steuereinnahmen. So bauen wir die Arbeitslosigkeit nach der Krise schnell wieder ab. Die kluge Unternehmerin spart nicht, sie investiert. Der kluge Staat tut es ihr gleich.

Deutschland kann es besser

Die Zeit der Regierung Merkel neigt sich dem Ende. Es war auch eine Zeit des Regierens im Dauerkrisenmodus. Der kurzfristigen Entscheidungen, nicht der langen Linien. Des „Auf Sicht Fahrens“ – auf Sicht aber fährt man, wenn man den Kurs verloren hat, wenn man immer unter Land bleibt. So wird man nie ein Meer überqueren, geschweige denn eine neue Welt entdecken.

Die Auseinandersetzung um den richtigen Kurs für Deutschland wird dieses Jahr bestimmen. Corona lehrt uns, dass es Zeit ist, aus dem Denken im Status-Quo heraus zu kommen. Deutschland kann es besser.