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Zolleinigung: Ein fragwürdiger Deal für Europa

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jacquelyn Martin

Mit der nun erfolgten Einigung im Zollstreit zwischen der EU und den USA ist klar: Die EU-Kommission hat sich unter Wert verkauft. Was auf dem Papier wie ein Kompromiss aussieht, ist in Wirklichkeit ein Ungleichgewicht zugunsten der USA. Die Bundesregierung unter Kanzler Merz trägt dafür eine Mitverantwortung – durch ihr zögerliches Verhalten, mangelnde Rückendeckung für EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und die Weigerung wirtschaftspolitisches Drohpotential gegenüber Trump aufzubauen.

Die Europäische Union konnte ihre große Marktmacht in den Verhandlungen zur Beilegung des Zollstreits nicht ausspielen. Denn während der Verhandlungen hat Friedrich Merz als deutscher Bundeskanzler die Verhandlungsposition der Europäischen Union entscheidend geschwächt. Seine Forderung nach einem schnellen Deal setzte Kommissionspräsidentin von der Leyen unter Druck. Während Frankreich und andere EU-Mitgliedstaaten entschlossen auf klare Bedingungen drängten – etwa das sogenannte „Anti-Coercion Instrument“, den Einbezug des Dienstleistungssektors und klare Beschränkungen für US-Digitalkonzerne – scheute die Bundesregierung jede Konfrontation gegenüber Trump. Stattdessen ließ Merz zu, dass deutsche Autokonzerne separate Absprachen mit Trump suchten. So wurde die EU-Kommission unterlaufen – zum Schaden eines guten Ergebnisses für Europa.

Dieser Deal wird für Deutschland richtig teuer

Die Rechnung dieser asymmetrischen Zollvereinbarung mit den USA zahlen nun ausgerechnet diejenigen Unternehmen in Deutschland und ganz Europa, die täglich um ihre Wettbewerbsfähigkeit kämpfen. Das ist bitter, denn einige unserer Industriebranchen stehen ohnehin unter enormem Druck. Zusätzliche Zölle von bis zu 50 Prozent auf europäischen Stahl und Aluminium sind ein massives Problem – vor allem für das Industrieland Deutschland. Mögliche Gegenzölle der Europäischen Union auf US-amerikanische Produkte sind mit der Einigung vom Tisch und auch bestehende Zölle auf US-Waren in die EU werden nun gänzlich abgeschafft. Für viele alteingesessene Industriebetriebe in Deutschland geht es längst ums Überleben, Hunderttausende Arbeitsplätze sind in Gefahr. Statt dringend notwendiger Entlastungen kommen mit diesem fragwürdigen Handelsdeal in den für Deutschland wichtigen exportabhängigen Industriezweigen neue Belastungen und neue Wettbewerbshindernisse hinzu.

Mit dieser Appeasement-Politik lernt Trump, dass seine Erpressungsmethoden funktionieren – wir müssen davon ausgehen, dass er nun immer weitermachen wird.
Franziska Brantner

Es droht ein klimapolitisches Desaster

Mit den nun vereinbarten massiven Energieeinkäufen aus den USA drohen die EU-Mitgliedstaaten von einer Energieabhängigkeit von Russland in die nächste Importabhängigkeit von fossilen Energien zu rutschen. Die historischen Import- und Exportdaten zwischen USA und EU zeigen auf, wie verheerend die Umsetzung dieses Deals mit Trump wäre: Im letzten Jahr 2024 haben die Vereinigten Staaten LNG-Gas im Wert von ca. 50 Milliarden US-Dollar in die EU exportiert, selbst in der Energiepreiskrise 2022 lag der Gegenwert sämtlicher Energieexporte aus den USA in die Europäische Union bei ungefähr 100 Mrd. US-Dollar. Eine Vervielfachung dieser fossilen Energieimporte würde unsere klimapolitischen Anstrengungen der letzten Jahre komplett konterkarieren und die europäischen Klimaziele aushebeln. Eine Diversifizierung der europäischen Energieeinkäufe bleibt für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union energie- als auch sicherheitspolitisch das Gebot der Stunde.

Es braucht jetzt eine selbstbewusste Handelspolitik

Mit der Weigerung von Bundeskanzler Merz, glaubwürdiges Druckpotential aufzubauen, etwa mit einer Digitalabgabe, mit der die Tech-Milliardäre endlich angemessen besteuert würden, wurde der EU-Kommission viel Verhandlungspotential genommen. Europa hat sich auf einen Deal eingelassen, der stark asymmetrisch ist und einseitige Zugeständnisse an die USA enthält. Das schwächt nicht nur unsere Glaubwürdigkeit als Verfechter eines offenen und fairen Handels, sondern öffnet Tür und Tor für die Regellosigkeit und aggressive Strategien. Der Handel darf nicht Spielball geopolitischer Erpressung sein, sondern muss durch multilaterale Regeln legitimiert bleiben. Nur wenn Europa wieder zur zuverlässigen Stimme im multilateralen Handelssystem wird, kann langfristiger Schutz, Stabilität und Fairness erzielt werden. Mit kurzfristigen Deals hingegen riskieren wir, autoritäre Vorstöße weltweit zu legitimieren – und schwächen damit letztlich auch unseren eigenen Einfluss.

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