Ricarda Lang im Interview zu klimaschonendem Heizen, Klimaschutz und Kindergrundsicherung
Im Interview mit der FUNKE-Mediengruppe erklärt unsere Bundesvorsitzende, wie wir in der letzten Woche hart um den besten Weg für dieses Land gerungen haben und nun zeigen: Was wir beschließen, bringen wir auch schnell und entschlossen auf den Weg. In nur einer Woche haben wir das Aus des fossilen Verbrenners gesichert, auf europäischer Ebene die Energiewende spürbar beschleunigt – und zeigen jetzt auch mit dem Gebäudeenergiegesetz und den sozial gestaffelten Förderungen: Wir kriegen richtig was hin, fürs Klima und die Menschen.
30 Stunden Koalitionsausschuss - wie darf man sich das vorstellen?
Es waren harte, aber konstruktive Verhandlungen. In den letzten Monaten hatte sich in der Koalition doch einiges verhakt. Aber wenn wir zusammen an einem Tisch sitzen, gehen wir fair miteinander um – und vor allem finden wir Lösungen für die Probleme dieses Landes. Das galt bei der Krisenbewältigung, das gilt jetzt bei der Auflösung des Reformstaus.
Haben Sie ein Rezept, um solche Sitzungen durchzustehen?
Cola light! Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Liter ich in den Verhandlungen getrunken habe. (lacht)
Was sagt dieser denkwürdige Gipfel über den Zustand der Ampel aus? Reichen die Gemeinsamkeiten noch bis 2025?
Wir werden die nächsten zweieinhalb Jahre zusammen in der Ampel regieren, trotz inhaltlicher Unterschiede. Dafür waren wir bereit, auch unbequeme Schritte auf die anderen zuzugehen, damit diese Regierung gut weiterarbeiten kann. Denn was wäre die Alternative? Nichts tun wäre vielleicht manchmal bequemer, angesichts der großen Herausforderungen aber nicht verantwortungsvoll. Und das Gute ist ja: Wir kommen voran, auch wenn es nicht immer einfach ist.
Der große Wurf ist der Ampel auch nach 30 Stunden nicht gelungen. Der Streit um den Bundeshaushalt blieb ungelöst - und damit auch die Finanzierung der Kindergrundsicherung.
Wir brauchen schnell Klarheit bei der Kindergrundsicherung. Man kann mit einem Koalitionsausschuss aber nicht alle Themen abräumen. Dieses Mal ging es konkret um die Frage: Was braucht es, damit die Modernisierung und die klimaneutrale Erneuerung gelingt. Wir haben viele Blockaden in der Regierung aufgelöst und machen nun Tempo bei der Infrastruktur. Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und des Schienennetzes etwa hinken wir anderen Ländern noch hinterher. Unter Federführung von Robert Habeck haben wir da im letzten Jahr schon einige Weichen gestellt. Wir haben ordentlich Fahrt aufgenommen und schrauben das Tempo nun noch einmal hoch.
Dafür zahlen die Grünen einen hohen Preis. Die Ampel hat eine Aufweichung des Klimaschutzgesetzes beschlossen.
Es geht jetzt doch nicht darum, wer welchen Preis gezahlt, welche Partei gewonnen oder verloren hat, sondern darum, das Land voranzubringen. Im Übrigen möchte ich allen empfehlen, sich die Vereinbarung genau anzuschauen. Die sogenannten Sektorziele bleiben als Grundsatz bestehen. Auch in Zukunft wird jeder Bereich – sei es der Verkehr, sei es die Industrie – klare Benchmarks haben, an denen er sich messen lassen muss. Wir haben nun vereinbart, dass sich die Sektoren untereinander ein bisschen helfen können, wenn die Regierung insgesamt ihre Klimaziele einhält. In der Praxis ist es aber so: Die Emissionen zu reduzieren, ist in allen Bereichen eine ganz schöne Herausforderung und alle müssen sich anstrengen. Dauerhaft wird sich also niemand wegducken können. Wir wollen als Land klimaneutral werden und das heißt, alle werden weiter liefern müssen – auch und gerade der Verkehr, der aktuell das Sorgenkind ist.
Das bedeutet, dass Verkehrsminister Volker Wissing damit nicht mehr unmittelbar gezwungen ist, Fortschritte beim Klimaschutz zu machen.
Praktisch: Nein, denn kein anderer Sektor wird absehbar die große Lücke kompensieren können, die der Verkehr und Volker Wissing lassen. Immerhin: Mit dem Ausbau der Bahn oder dem Aus des fossilen Verbrenners, das die EU beschlossen hat, ist der Richtungswechsel eingeleitet. Das wäre ohne uns nicht passiert.
Glauben Sie noch an ein Tempolimit auf Autobahnen?
Ein Tempolimit auf Autobahnen ist eine der schnellsten und einfachsten Maßnahmen für mehr Sicherheit und Klimaschutz. Auch, wenn es in dieser Koalition kaum möglich scheint, hielte ich ein Tempolimit weiterhin für richtig. Und wir müssen ehrlich sagen: Mit dem Beschlossenen halten wir die Klimaziele im Verkehr nicht ein. Da bleibt eine Lücke, für die es Lösungen braucht.
Verständigt hat sich die Ampel auf die Beschleunigung von 144 Autobahnprojekten. Ist es das, was Sie unter Fortschrittskoalition verstehen?
Wir haben es mit drei Parteien zu tun, die ganz unterschiedliche Vorstellungen von Fortschritt haben. Jede Regierung lebt vom Kompromiss, auch die Ampel. Dass marode Straßen und Brücken schnell saniert werden, ist gut, denn niemand will, dass die Menschen im Stau stehen, weil beispielsweise die Autobahnbrücke bei Lüdenscheid nicht befahrbar ist. Was die 144 Autobahnprojekte angeht: Das sind Teilabschnitte. Wir reden nicht über Neubau, sondern über Ausbau, vor allem die Beseitigung von Engpässen. Und die Planung wird nur dann beschleunigt, wenn die zuständigen Länder sagen: Wir wollen das. Ich setze darauf, dass pragmatische Lösungen kommen.
Sie setzen darauf, dass die Grünen in den Ländern die Autobahnprojekte blockieren.
Es ist doch sinnvoll, einzelne Projekte vor Ort genau zu prüfen. Zum Beispiel, ob bereits geplante Projekte für weniger Stau oder Unfallgefahren sorgen und deswegen beschleunigt angegangen werden sollten. Oder ob man sich ein Projekt zum Beispiel aus Umweltschutzgründen oder wegen des Lärmschutzes für Anwohnende noch mal anschauen sollte. Sehr wahrscheinlich werden nicht alle dieser 144 Autobahnprojekte am Ende beschleunigt gebaut.
Kommt es nun zum Verbot neuer Gas- und Ölheizungen ab dem kommenden Jahr? Der Koalitionsbeschluss lässt einigen Spielraum für Interpretation …
Alle drei Ampelpartner haben sich hinter das Vorhaben von Robert Habeck und Klara Geywitz gestellt. Das heißt, ab 2024 steigen wir nach und nach auf klimafreundliche Alternativen beim Heizen um. Und wir Grüne haben durchgesetzt, dass der soziale Ausgleich kommt – auch bei Mieterinnen und Mietern. Wir werden den Heizungstausch finanziell fördern. Es ist gut, dass die Ampel das nun auf den Weg bringt.
Die FDP liest den Beschluss anders. Danach dürfen weiterhin Gasheizungen eingebaut werden - wenn sie auch mit Wasserstoff betrieben werden können.
Die Voraussetzung wird sein, dass der zuständige Netzbetreiber ein Wasserstoffnetz plant, dass der Wasserstoff also zu Hause ankommen kann, denn sonst sitzen die Menschen am Ende im Kalten. Bisher gibt es diese Infrastruktur in Deutschland noch nicht. Ohnehin wird das Heizen mit Wasserstoff mit großer Wahrscheinlichkeit weniger effizient und damit teurer bleiben als beispielsweise die Wärmepumpe. Wer experimentierfreudig ist, kann natürlich trotzdem das Risiko eingehen. Die meisten Menschen setzen bei so wichtigen Investitionen wie der Heizung aber vermutlich eher auf sichere und bezahlbare Lösungen. Experten gehen davon aus, dass sich die Wärmepumpe auf dem Markt durchsetzen wird, das sieht man auch schon in anderen Ländern.
Über wen haben Sie sich bei diesem Koalitionsgipfel mehr geärgert - FDP oder SPD?
Ich habe mich nicht geärgert, ich habe verhandelt. Die Nörgelecke ist nicht so meins. Ein bisschen überrascht hat mich die Haltung der SPD zum Klimaschutzgesetz. Das war ja ein Erfolg der großen Koalition. Ich wünsche mir, dass alle drei Ampelpartner eine besondere Verantwortung für den Klimaschutz verspüren. Und dann auch konkret handeln. Das gilt übrigens auch und gerade für den sozialen Ausgleich. Die Klimakrise trifft diejenigen als erstes und am härtesten, die ohnehin schon benachteiligt sind. Es macht mir große Sorgen, wenn soziale Gerechtigkeit zur Ausrede verkommt, statt dass sozial gerechte Klimapolitik umgesetzt wird. Wir jedenfalls werden uns in der Koalition weiter dafür einsetzen, dass die soziale Gerechtigkeit nicht vergessen wird.
Ist Olaf Scholz der Klimakanzler geworden, den er im Wahlkampf versprochen hat?
Wir sind eine Regierung, die beim Klimaschutz vorangeht – aber nicht immer so schnell, wie ich mir das wünschen würde. Da brauchen wir insgesamt noch mehr Tempo.
Einen Klimakanzler stellen Sie sich anders vor.
Olaf Scholz muss selbst entscheiden, ob er seinem Versprechen gerecht wird. Das ist aber auch nicht die Frage. Klimaschutz hängt nicht an einer Person und darf nicht an einer Partei hängen, wenn er erfolgreich sein soll. Klimaschutz ist die Verantwortung aller demokratischen Parteien. Entscheidend ist, dass wir in der gesamten Regierung Fortschritte machen beim Klimaschutz und der sozialen Gerechtigkeit. Für beides setzen wir uns ein – und setzen um. Auch dafür sind wir in dieser Regierung.
Sie haben in dieser Woche auch privat für Aufmerksamkeit gesorgt, als Sie bei Twitter Ihre Verlobung bekanntgegeben haben. Ist Zeit zum Feiern geblieben?
Ja, wir haben die Verlobung zu zweit gefeiert. Super schön waren für uns die vielen Glückwünsche und die Freude von Freunden und Familie. Gerade in turbulenten Zeiten gibt einem das Kraft.
Wie gut gelingt es Ihnen, abzuschalten von der Politik?
Das ist gar nicht so einfach. Der Job der Parteivorsitzenden geht mit einer dauernden Erreichbarkeit einher. Aber manchmal muss man das Handy auch einfach zur Seite legen und sagen: Jetzt nehme ich mir ein paar Stunden für mich und meine Liebsten. Sonst verliert man sich in diesem Job.