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Artikel

Bundesfrauenrat 2023 in Berlin

Auf dem ersten diesjährigen Bundesfrauenrat in Berlin ging es um die Themen Gewaltschutz, feministische Wissenschaftspolitik, Frauen im Strafvollzug und die Solidarität mit den Frauenprotesten im Iran. Lies hier den ganzen Bericht.

Samstag

Am Samstagmorgen eröffnete unsere Bundesvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin Ricarda Lang das Programm mit einer mitreißenden Rede über die Stärke unserer Demokratie in Krisenzeiten. Dabei stellte sie die Fähigkeit Gesellschaft zu gestalten und die Zukunftsfähigkeit grüner Politik in den Fokus.

„Unsere Demokratie ist die kritischste Infrastruktur, die wir haben.“

In ihrer Rede betonte Ricarda, dass die zentrale Aufgabe ist, unseren Wohlstand auf klimaneutrale Füße zu stellen, um unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu beenden und unsere demokratische Unabhängigkeit von autokratischen Ländern zu sichern.

Dabei müssen wir die sich verschärfende soziale Frage in den Mittelpunkt stellen. Es braucht strukturelle Lösungen und nicht nur punktuelle Maßnahmen: die Bekämpfung von Kinderarmut gelingt nicht nur mit Verwaltungsreformen, sondern wird Geld kosten, die Kindergrundsicherung ist dabei ein erster wesentlicher Schritt. Zudem werden bei uns noch immer die Lebensrealitäten von Frauen nicht als gesellschaftliches Problem wahrgenommen – deshalb brauchen wir eine feministische Wirtschaftspolitik die diese Ungerechtigkeiten im Blick hat und Lösungen aufzeigt.

Daran anschließend führte Katrin Bülthoff vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VaMV) in den nächsten Tagesordnungspunkt Gewaltschutz im Umgangsrecht ein. Sie stellte fest, dass die ausnahmslose Ratifizierung der Istanbul-Konvention ein erster wichtiger Schritt war, aber die bisherigen gesetzlichen Regelungen in Deutschland beim Gewaltschutz unzureichend sind.

Fälle von häuslicher und partnerschaftlicher Gewalt „verschwinden“ oft bei umgangsrechtlichen Gerichtsverfahren, führte Sabine Heinke, Familienrichterin a.D. am Amtsgericht Bremen weiter aus. Die Gründe dafür sind vielfältig. In Umgangsverfahren soll grundsätzlich auf eine einvernehmliche Entscheidung hingearbeitet werden und das geteilte Umgangsrecht für beide Eltern wird dabei grundsätzlich als beste Lösung für die Kinder gesehen. Der Schutz vor Gewalt findet dabei keine entsprechende, insbesondere keine gesetzliche Berücksichtigung. Die anschließende Diskussion und die Fragerunde moderierte Bahar Haghanipour, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und unter anderem Sprecherin für Frauenpolitik und Gleichstellung. Es zeigte sich im ausführlichen Austausch mit den Delegierten, dass es beim Thema Gewaltschutz in umgangsrechtlichen Verfahren vor Gericht noch großen Handlungsbedarf gibt.

Im Anschluss stellte Lisa Paus, Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in ihrer Politischen Rede die aktuellen Schwerpunkte und Vorhaben des Ministeriums vor. Dabei ging es um das Entgelttransparenzgesetz, die paritätische Besetzung von Leitungspositionen in ihrem Ministerium, die Verbesserungen der Attraktivität von Ausbildung und Karrierechancen im KitaBereich, die Kindergrundsicherung als zentrales Instrument der Bekämpfung von Kinderarmut und vielem mehr.

Darauf folgte die Podiumsdiskussion zum Thema Feministische Wissenschaftspolitik mit Laura Kraft, Mitglied im Bundestag und Obfrau im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und Miriam Block, Mitglied der Hamburger Bürgerschaft. Julia Woller, Mitglied des Präsidiums moderierte das Gespräch. Angesprochene Probleme waren immer noch vorherrschend männliche Perspektiven in Bezug auf medizinische Forschung und Technologieentwicklung. Zudem wurden geschlechtsspezifische Hürden in Bezug auf Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen besprochen. Sichere Berufsperspektiven durch Vollzeitstellen und die Entfristung bestehender Verträge sollten ermöglicht werden. Außerdem wurde die Notwendigkeit
des Ausbaus von Gleichstellungsstrukturen, Diskriminierungsschutz und Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt im Wissenschaftsbetrieb thematisiert. Daraufhin wurde einstimmig der Antrag „Mit Vielfalt Wissen schaffen – Für eine feministische Wissenschaftspolitik“ beschlossen.

Im Tagesordnungspunkt SToP Projekt: Stadtteile ohne Partnerschaftsgewalt stellten die Referentinnen Prof. Dr. Sabine Stövesand, Professorin für Soziale Arbeit an der HAW Hamburg und Abeba Kiflu, SToP-Projektkoordinatorin in Hamburg Wilhelmsburg das Konzept und konkrete Erfolge aktiver Nachbarschaftsprojekte zur Prävention und Intervention bei häuslicher Gewalt vor. Moderiert wurde das Gespräch durch Mareike Engels, Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft. Dabei zeigten sie die Handlungskonzepte und Hilfsangebote auf und forderten eine bundesweite strukturelle Verankerung sozialraumorientierter Gewaltschutzprojekte in Stadtteilen.

Sonntag

Am Sonntagmorgen starteten wir in den Bundesfrauenrat mit parteiinternen Programmpunkten, wie der Neuwahl unseres Präsidiums. Herzlichen Glückwunsch an unser neues/altes Präsidium Bahar Haghanipour, Julia Woller, Lucie Hammecke und Mareike Engels. Daran anschließend berichtete Ulle
Schauws,
Mitglied der Bundestagsfraktion und Leiterin der AG Familie, Senior*innen, Frauen, Jugend und Queer über ihre kürzliche Teilnahme an der 67. Sitzung der Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen in New York und die aktuellen frauenpolitischen Erfolge aus der Bundestagsfraktion. Die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung zur Regulierung des
Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs steht und kann ihre Arbeit aufnehmen.

Katja Meier, Staatsministerin der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung von Sachsen, führte mit einer Präsentation zum Thema “Frauen im Gefängnis” in den nächsten Tagesordnungspunkt ein. Moderiert wird dieser durch Mareike Engels. Katja Meier zeigte die besonderen Herausforderungen an Strafvollzug und Resozialisierung für inhaftierte Frauen auf. Sie stellte fest, es gibt einen strukturellen Handlungsbedarf im Bereich der Vollzugseinrichtungen in
freier Form, von Mutter-Kind-Einrichtungen, in der intensiven medizinischen und psychosozialen Betreuung und der angemessenen Bezahlung der Gefangenen. Zudem forderte sie Forschung zu „Geschlechtsspezifika“ in der Kriminalität und paritätisch besetzte Anstaltsbeiräte in den Kommunen.

Zum Abschluss unterstrich Pegah Edalatian, stellvertretende Bundesvorsitzende und vielfaltspolitische Sprecherin im Gespräch mit Mina Khani, Publizistin und Aktivistin unsere Solidarität mit den Frauenprotesten im Iran. Mina Khani appellierte dabei an die Wichtigkeit medialer und politischer Aufmerksamkeit auf die feministischen und revolutionären Kämpfe der Iraner*innen gegen die patriarchale Ordnung im Iran.

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