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Beschluss des Bundesvorstandes: Dürre-Sommer 2022

Nahhaufnahme von Weizen auf rissigem trockenem Boden.
© Getty Images/pixelfusion3d

Trockenheit bekämpfen, Klimavorsorge stärken – auch für gute Ernten und gesunde Wälder. Hier findest Du den Beschluss des Bundesvorstandes zum Dürre-Sommer 2022.

Immer stärker erleben wir, wie die Folgen der Klimakrise bereits heute unsere Lebensbedingungen verändern. Wetterextreme nehmen im Zuge der Klimakrise zu und die Planbarkeit und Sicherheit vor Ort nimmt damit drastisch ab. In diesem Sommer sind es vor allem Hitze und Trockenheit, die viele Regionen der Welt und auch weite Teile Europas und Deutschlands im Griff haben. Sie führen nicht nur zu ausgetrockneten Flüssen, verheerenden Waldbränden und großflächiger Vernichtung von Landschaften, sondern sind auch für den Wirtschaftsstandort Europa eine Herausforderung.

Die Europäische Dürrebeobachtungsstelle warnt, dass in diesem Sommer auf knapp der Hälfte des EU Gebiets ein Risiko für Dürre besteht, für bereits 17 Prozent der Fläche wird von einem alarmierenden Zustand gesprochen. Es drohen gravierende Ernteeinbußen vor allem bei Mais, Sojabohnen, Kartoffeln, Sonnenblumen und Reis. Neben dem Angriffskrieg Russlands auf die große Getreideproduzentin Ukraine sind die Auswirkungen der Klimakrise inzwischen einer der Hauptgründe für die Verknappung von Lebensmitteln auf den Weltmärkten und damit für deren starken Preisanstieg. Und dieser hat vor allem dramatische Folgen für die Welternährung und steigert die Gefahr von Hungersnöten in Teilen Afrikas und Südostasiens.

Auch in Deutschland hat die Dürregefahr in diesem Jahr stark zugenommen. Ende Juli waren über 80 Prozent der deutschen Landesfläche von Dürre betroffen. Der Sommer 2022 droht zu den trockensten Sommern seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881 zu werden. Das hat vor allem Folgen für den Wasserhaushalt des Landes: Deutschland zählt zu den Regionen mit den größten Wasserverlusten weltweit.

In Niedersachsen war Wasser lange im Überfluss vorhanden. Insbesondere in den Marsch und Küstengebieten ist die Wasserwirtschaft daher auf Entwässerung und ein schnelles Ableiten von Regenwasser ausgerichtet. Doch für große Teile Niedersachsens weist der Dürremonitor inzwischen ebenfalls eine außergewöhnliche Dürre für den Gesamtboden auf. Somit setzt dieser Sommer die Reihe der Dürrejahre 2018, 2019 und 2020 fort und verschärft die Situation mit sinkenden Grundwasserspiegeln, trockenfallenden Gewässern sowie Schäden an Wald und Flur. In Niedersachsen ist seit 2018 rund 60.000 Hektar Wald aufgrund direkter oder indirekter Dürrefolgen vollständig abgestorben.

Deshalb müssen wir das Wasser, wenn es im Überfluss vorhanden ist, länger in der Landschaft bewahren und die Grundwasserneubildung fördern. Nur so steht es in trockenen Perioden auch künftig zur Verfügung. Wir brauchen daher in der Fläche ein zukunftsfähiges Wassermanagement, um Niedersachsen und ganz Deutschland für die Folgen der Klimakrise zu wappnen. Wir müssen von Entwässerung zu einer höheren Aufnahme und Speicherfähigkeit unserer Böden umstellen und Wasser als knappe Ressource nachhaltig bewirtschaften.

Die Bundesregierung hat sich dazu bereits auf den Weg gemacht und seit dieser Legislatur den dringend notwendigen Politikwechsel eingeleitet. Neben der massiven Beschleunigung beim Ausbau erneuerbarer Energien wird die Bundesregierung im Klimaschutz Sofortprogramm weitere Maßnahmen vorlegen. Jeder Sektor muss darin seinen Beitrag leisten, um die Klimaziele zu erreichen. Und es ist gut, dass in vielen Landesregierungen inzwischen grüne Minister*innen dafür sorgen, dass Klimaschutz und anpassung im Zentrum der Politik stehen. Nach dem 9. Oktober muss das auch in Niedersachsen endlich wieder der Fall sein. Dafür kämpfen wir. Denn es braucht noch so viel mehr.

Wie wir das Wasser in der Landschaft halten und uns so an die Trockenheit anpassen können

Im Zuge der Klimakrise erleben wir schon heute eine deutliche Zunahme von Extremwettereignissen. Extreme Niederschläge innerhalb kurzer Zeit und damit Überschwemmungen wie auch lang anhaltende Dürreperioden mit zumindest für unsere Breiten extremer Hitze sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Klimavorsorge heißt daher: Wir müssen vorbereitet sein und unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft so umgestalten, dass wir und die Natur große Niederschlagsmengen, höhere Temperaturen, Dürreperioden und Stürme besser aushalten. Für die Zukunft gehen die Klimamodelle für den größten Teil unseres Landes zwar nicht von einer Verringerung der durchschnittlichen Jahresniederschläge, wohl aber von einer deutlich veränderten Verteilung im Jahresverlauf aus: Die Sommer werden trockener und die Winter nasser. Vorsorge und Anpassung an Dürreperioden bedeutet daher, die winterlichen Niederschläge länger in der Fläche zu halten und so nicht zuletzt die Grundwasserneubildung zu steigern. Zusammen mit den Landwirt*innen wollen wir an
Alternativen dazu arbeiten, Wasser möglichst schnell über Entwässerungsgräben in den nächsten Bach oder Fluss abzuleiten. Dazu müssen wir die Wasseraufnahmekapazität und speicherfähigkeit erhöhen und den naturnahen Wasserhaushalt in den Ökosystemen wiederherstellen:

  • Wir stärken den naturnahen Wasserhaushalt vor allem in Ökosystemen, die viel Wasser speichern wie Auen und Niederungsbereiche, Wälder, Moore, Grünland und kohlenstoffreichen Böden durch das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz und die Nationale Wasserstrategie der Bundesregierung.
  • Wir wenden uns gegen die weitere Vertiefung unserer Flüsse, die nicht nur deren empfindliches Ökosystem massiv beeinträchtigen, sondern eine großflächige Entwässerungsfunktion umliegender Bereiche haben.
  • Wir wollen Flächenverbrauch und Versiegelung reduzieren.
  • Um den Verlust wertvoller Böden durch Wind- oder Wassererosion zu vermeiden und Niederschläge besser in der Fläche zu halten, sind Landschaftselemente wie Hecken, Feldgehölzen oder Grünstreifen wichtig genauso wie Agroforstsysteme, der Waldumbau zu Laubmischwäldern und die Wiedervernässung von Mooren. Außerdem treffen wir Maßnahmen gegen die zunehmende Verdichtung unserer Böden, die ein Einsickern des Niederschlagswassers in den Boden verhindert.
  • In den bestehenden Förderprogrammen für Landwirtschaft und Wälder sollen künftig verstärkt Maßnahmen zur Wasserspeicherung und -rückhaltung sowie für bodennahe Bewässerungsmethoden belohnt werden.
  • Unsere Städte wollen wir besser gegen Hitzewellen und Starkregen wappnen – mit Hitzeaktionsplänen und einem Stadtumbau: mehr klimaangepasstes Stadtgrün, Bodenentsiegelung, Versickerungsflächen, Bereiche zur kurzfristigen Wasserspeicherung (Rigolen, Zisternen), Frischluftschneisen, Gebäudebegrünung, Wasserflächen und öffentliche Trinkbrunnen. Als Schwammstädte sollen sie künftig mehr Wasser aufnehmen, speichern und im Sommer kühlend wirken. Regenwasser kann als wertvolle Ressource als Brauchwasser oder zur Bewässerung genutzt werden. Dachgärten sind natürliche Klimaanlagen für Wohnungen und Büros, Parks und Stadtwälder spenden Schatten und frische Luft. So fördern wir auch die Grundwasserneubildung.

Was wir gegen die Trockenheit im Bereich der Landwirtschaft tun können

  • Um das Sektorziel in der Landwirtschaft zu erreichen, setzen wir für das Klimaschutz-Sofortprogramm der Bundesregierung vor allem auf die Ausweitung des Ökologischen Landbaus, eine klimaschonende Landwirtschaft insbesondere auf kohlenstoffreichen Böden sowie auf eine flächengebundene Tierhaltung.
  • Moorschutz ist Klimaschutz. Moorböden stärker zu schützen und langfristig zu erhalten, ist auch ein wichtiger Baustein für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft. Daher arbeiten wir an einem Ende der fossilen Torfnutzung und wollen unsere Moore so schnell und umfassend wie möglich wiedervernässen. Im Rahmen des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz ist deshalb ein Programm Klimaschutz durch Moorbodenschutz geplant. In Niedersachsen werden wir die Wiedervernässung der Moore auch durch eine Landesgesellschaft für Moorschutz vorantreiben. Für genutzte Moorböden wollen wir ökonomische Perspektiven für eine nachhaltige nasse Landwirtschaft ermöglichen und extensive Weidewirtschaft, Paludikultur und Moor-Photovoltaik stärken.
  • Mit Blick auf die künftig begrenzten Wasserressourcen und Nutzungskonkurrenzen kann die Bewässerung landwirtschaftlicher Nutzflächen keine Alternative zum Anbau standortangepasster Nutzpflanzenarten und -sorten sein. Die Bewässerung muss dort, wo sie im Einzelfall erforderlich ist, mit effizienter Bewässerungstechnik durchgeführt werden. Im Rahmen der Nationalen Wasserstrategie entwickelt die Bundesregierung eine Bundesleitlinie zur Wasserentnahme. Sie soll der öffentlichen Trinkwasserversorgung einen Vorrang einräumen. Ergänzend werden Regeln und Kriterien für Prioritäten bei der Wassernutzung für regionale Wasserknappheiten erarbeitet. Mit Bodenmanagementmaßnahmen zur Erhöhung oder Erhaltung der Wasserspeicherfähigkeit, Maßnahmen zur reduzierten Verdunstung oder der Erhöhung der Grundwasserneubildung können wir die Verfügbarkeit von Wasser für Kulturpflanzen sicherstellen.
  • Wir fördern eine standortangepasste Bewirtschaftung, die durch geeignete Arten- und Sortenauswahl, weite Fruchtfolgen, gezielten Humusaufbau oder Mischkulturen auch bei starker Trockenheit bestmögliche Erträge sichert.
  • Um die Resilienz des Pflanzenanbaus unter den veränderten klimatischen Bedingungen zu stärken und dennoch einen hohen Ertrag sowie hohe Qualität und Stabilität der landwirtschaftlichen Produktion zu gewährleisten fördern wir spezifische Forschungs- und Entwicklungsprojekte zur Anpassung der Pflanzenproduktion an die Folgen der Klimakrise.

Was wir gegen die Trockenheit im Bereich der Wälder tun können

  • Mindestens ein Viertel der deutschen Waldfläche ist durch die Folgen der Klimakrise gefährdet. Wir wollen die Wälder deshalb zu artenreichen und klimaresilienten Mischwäldern und mit heimischen Baumarten umbauen. Dafür werden wir das Bundeswaldgesetz novellieren.
  • Naturnahe und artenreiche Mischwälder aus heimischen Baumarten sind widerstandsfähiger gegen die Folgen der Klimakrise als Monokulturen. Sie halten den Wasserkreislauf in der Balance und die Böden fruchtbar, speichern Kohlenstoff, reinigen die Luft, sind der Lebensraum zahlreicher bedrohter Tiere, Pflanzen und Pilze, produzieren Rohstoffe und dienen der Erholung und Gesundheitsvorsorge. Altersdurchmischte Buchen-Eichen-Laubwälder bilden fast doppelt so viel Grundwasser wie Douglasien-Fichtenkulturen und sorgen als Laubwald für besseren Brandschutz. Der Einsatz von Monokulturen in der Forstwirtschaft stellt darüber hinaus nachweislich auch ein erhebliches wirtschaftliches Risiko beim Befall mit Schädlingen oder anderen ökologischen Einwirkungen dar und ist damit nicht nachhaltig.
  • Wir wollen daher die Entwicklung gesunder, klimaresistenter Waldökosysteme fördern in einer neuen Waldstrategie. Die Waldbauförderung muss sich stärker an den Ökosystemdienstleistungen der Wälder für Klima, Wasserhaushalt und Artenvielfalt orientieren.
  • Nicht nur landwirtschaftliche Nutzflächen, auch viele unserer Wälder werden künstlich entwässert. Diese Entwässerungseinrichtungen gilt es behutsam und bei Erhalt des Waldes zurück zu bauen.
  • Wir wollen mindestens 5 Prozent unserer Wälder der Natur überlassen. In Niedersachsen wurden in der Zeit der grünen Regierungsbeteiligung von 2013 bis 2017 schon über 10 Prozent des Landeswaldes mit verschiedenen Waldtypen zu Naturwäldern ausgewiesen. So schaffen wir die Urwälder von morgen.
  • Mit einem bundesweiten Biotopverbund vernetzen wir Schutzgebiete und natürliche Lebensräume zum Schutz der Artenvielfalt. Denn lebendige und vielfältige Ökosysteme sind widerstandsfähiger gegenüber den Belastungen der Klimakrise.
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