Beschluss des Bundesvorstands

Achten und schützen – Für ein krisenfestes Land

Der Bundesvorstand legt heute einen Beschluss für ein krisenfestes Land vor. Für neue Lösungen bei der Pandemiebekämpfung, beim Gesundheitsschutz, bei der Wiederbelebung der Wirtschaft und nicht zuletzt beim Klimaschutz.

Überall im Land sorgen Menschen mit ganzem Einsatz und unter schwierigen Bedingungen dafür, dass es irgendwie läuft. Wir haben auf unseren politischen Sommerreisen ein Land erlebt, in dem Erzieher*innen trotz Personalmangels und unter Wahrung der Hygienevorschriften dafür sorgen, dass Kinder gut betreut werden. Wir haben Ärzt*innen besucht, die zusätzlich zum ohnehin schon fordernden Berufsalltag noch eine Pandemie bewältigen, und Landwirt*innen, die eine weitere Dürre-Ernte einfahren und Wege suchen müssen, auch in Zukunft noch ihr eigenes Auskommen und unsere Lebensmittelversorgung zu sichern. Wir haben Förster*innen besucht, die mit aller Kraft versuchen, unsere Wälder zu retten, und Feuerwehrleute, die mit immer mehr Bränden und weniger Wasser zugleich zu kämpfen haben. Und wir haben die Zukunft besucht: Klärwerke, die mit neuen Reinigungsstufen versuchen, Arzneimittelreste und Mikroplastik aus unserem Abwasser zu filtern, um unsere Versorgung sicherzustellen, Unternehmen, die an der Wasserstoffproduktion forschen, und Rechenzentren, die unsere digitale Infrastruktur ausbauen. Wir sind überall in Deutschland Menschen begegnet, die sich mit voller Leidenschaft füreinander und das Wohl aller einsetzen, im gemeinsamen Ziel, zu achten und zu schützen, was uns zusammenhält und stark macht.

Was sie brauchen, ist eine Politik, die sie dabei unterstützt, neue Lösungen für Probleme zu finden: bei der Pandemiebekämpfung, beim Gesundheitsschutz, bei der Wiederbelebung der Wirtschaft und nicht zuletzt beim Klimaschutz. Es braucht eine Politik, die vorausschaut und vorsorgt.

Vorsorgen mit Plan

Die Große Koalition hingegen fährt seit Jahren nur auf Sicht. Auf Sicht fährt man, wenn man den Kurs verloren hat. Die Große Koalition hat im Sommer wertvolle Zeit verstreichen lassen und es versäumt, für klare Leitlinien zur Virusbekämpfung zu sorgen. In fast allen Bundesländern hat die Schule wieder begonnen, die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland steigt wieder, lange vor der kalten Jahreszeit. Doch es gibt immer noch kein einheitliches Testregime. Der Föderalismus ist dann eine Stärke, wenn koordiniertes Krisenmanagement zu Vertrauen führt, so wie zu Beginn der Pandemie. Der uneinheitliche Wiedereinstieg in den Schulalltag und der chaotische Umgang mit der Maskenpflicht hingegen haben wichtiges Vertrauen verspielt. Die Konferenz der Kanzlerin und Ministerpräsident*innen Ende August kam zu spät, und ihre Beschlüsse sind nicht konsequent.

Um in dieser Phase der Pandemie eine große zweite Welle der Neuinfektionen und einen zweiten Shutdown zu verhindern, müssen wir das Virus effizienter bekämpfen und die Wirtschaft gezielter und vor allem nachhaltiger unterstützen als zu Beginn der Pandemie, wo wir alle noch nicht wissen konnten, was auf uns zukommt. Es liegen harte Monate vor uns, und es wird noch lange dauern, bis das Virus eingedämmt ist. Umso deutlicher fehlt ein überzeugender Plan der Großen Koalition und eine verständliche und verbindliche Kommunikation, wie wir diese Zeit gemeinsam bestehen.

Corona trifft die Menschen sehr unterschiedlich, deckt die Schwächen der Gesellschaft auf und verschärft Ungerechtigkeiten. Zum Beispiel haben Hartz IV-Empfänger*innen ein deutlich höheres Risiko, wegen Covid-19 ins Krankenhaus zu müssen. Die Hälfte der Familien hat keinen eigenen Garten, in dem die Kinder spielen können, und Homeschooling ist ohne entsprechende digitale Infrastruktur schwierig. Die Politik in der Pandemie muss deshalb ein soziales Versprechen abgeben, sie muss eine Perspektive aufzeigen, dass das Versprechen gleicher Chancen gilt, dass Lernorte gestärkt, dass Menschen ohne Existenzangst durch die Krise kommen können, dass öffentliche Daseinsvorsorge eine funktionierende Gesundheitsversorgung für alle Menschen umfasst, die digitale Grundversorgung garantiert wird und kulturelles Leben wieder möglich ist.

Neben einem umsichtigen und entschlossenen Krisenmanagement braucht es spätestens jetzt eine Politik der Vorsorge, die die Lehren aus der Krise zieht, Perspektiven schafft und hilft, um zukünftigen Krisen vorzubeugen.

1. Robuste Gesundheitsversorgung

Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig ein gut aufgestelltes Gesundheitswesen ist. Doch sie hat auch veranschaulicht, wo unser Gesundheitssystem verwundbar ist - dort, wo politische Fehlanreize und ökonomischer Druck dazu führen, dass zwar viele Intensivbetten vorhanden sind, aber das dafür notwendige Personal fehlt. So, wie wir uns eine Feuerwehr halten in der Hoffnung, sie nicht zu brauchen, müssen wir auch bei der Gesundheitsversorgung den Gedanken des Vorhaltens stärken - Daseinsvorsorge muss sich eben gerade nicht rechnen. Eine durchökonomisierte Gesellschaft lebt gefährlich. Ein am Gemeinwohl ausgerichtetes, vernetztes und gut finanziertes Gesundheitssystem ist hingegen Grundbedingung dafür, dass wir zukünftige Krisen meistern. Dafür muss Vorsorge zum Leitprinzip der Gesundheitspolitik werden - von der Planung bis hin zur Finanzierung.

Neue Säule der Krankenhausfinanzierung: Kliniken sollen in Zukunft nicht nur nach Leistung, sondern auch nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Dafür wird neben den Fallpauschalen eine zweite Säule zur strukturellen Finanzierung eingeführt. Diese soll als eine Form der Grundfinanzierung neben Personal auch solche Aufgaben finanzieren, die sich nicht rechnen, aber unerlässlich für eine gute Daseinsvorsorge sind, zum Beispiel die Kindermedizin. So wird die Versorgung in der Fläche gestärkt und gleichzeitig Rosinenpickerei verhindert. Außerdem können Vorhaltekapazitäten, wie für den Fall einer Pandemie oder in der Notfallmedizin, finanziell abgebildet werden. Darüber hinaus soll der Stillstand bei den Investitionen in die Krankenhäuser beendet werden, indem Bund und Länder die Investitionskosten in Zukunft gemeinsam tragen.

Gesundheitsregionen schaffen: Die Gesundheitsversorgung in Deutschland setzt bisher vor allem auf isolierte statt auf kooperative Angebote. Landkreise oder Kommunen sollen deshalb in Zukunft die Möglichkeit bekommen, sich mit den Krankenkassen vor Ort zu einer „Gesundheitsregion“ zusammenzuschließen: Sie soll die Gesundheitsversorgung gerade auf dem Land sicherstellen und ambulante und stationäre Angebote zusammendenken und durch übergreifende Budgets zusammen finanzieren. In kommunalen Gesundheitszentren sollen Allgemeinmediziner*innen und Ärzt*innen anderer Fachgebiete mit ambulanten Pflegekräften, Physiotherapeut*innen und weiteren Gesundheitsberufen unter einem Dach Gesundheitsversorgung, -information und -vorsorge leisten.

Pflegeberufe stärken: Eine integrierte Gesundheitsversorgung und ein gut aufgestelltes Gesundheitssystem gibt es nur mit einer gestärkten Pflege. Das Berufsbild von Pflegekräften muss ausgebaut und auch um medizinische Aufgaben erweitert werden. So sollen zum Beispiel kurzfristig die rechtlichen Voraussetzungen für speziell qualifizierte Pflegekräfte (“community health nurses”) geschaffen werden, die wie in Kanada oder Dänemark quartiersnahe Pflege ermöglichen, Gemeinschaften stärken und eine Versorgung von strukturschwachen Regionen sicherstellen. Gute Pflege braucht jedoch auch mehr Personal. Gelernte Fachkräfte, die sich wegen Überarbeitung zurückgezogen haben, sollen zurückgewonnen werden. Dafür müssen sich die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern, etwa durch feste und bedarfsgerechte Personalschlüssel und einer neuen Vollzeit mit 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Das schützt auch diejenigen vor Armut im Alter, die heute in Teilzeit arbeiten. Um die Löhne insgesamt zu verbessern, muss ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag in der Pflege her. Sollte dieser nach Wiederaufnahme der Tarifverhandlungen nicht erreicht werden, müssen gesetzliche Maßnahmen ergriffen werden.

Pandemiewirtschaft ausbauen: Auf zukünftige Pandemien wollen wir besser vorbereitet sein. Deshalb wollen wir sicherstellen, dass pandemierelevantes Material sowie Impfstoffe und Medikamente in Europa zur Verfügung stehen. Wir dürfen uns nicht allein auf den internationalen Wettbewerb verlassen, das hat uns die Pandemie gezeigt, in der wir zum Beispiel Schwierigkeiten hatten, ausreichend Masken zu beschaffen. Deshalb sollen solche Produkte in Zukunft wieder stärker innerhalb Europas produziert und im Falle einer Krise zusätzliche Produktionskapazitäten schnell aktiviert werden können.

Über die bestehenden Vorhaltepflichten hinaus sollen Materialdepots eine schnelle Versorgung der Bevölkerung gewährleisten. Der Staat soll finanziell für diese Vorhaltekapazitäten aufkommen. Gleichzeitig sichert er sich damit auch ein Abnahmerecht. Bezahlbare Preise, zum Beispiel für Schutzmaterialien werden so garantiert und die Abhängigkeiten von globalen Lieferketten reduziert.

2. Krisenfeste Wirtschaft

Während der Pandemie wurden zu Recht beispiellose Rettungspakete geschnürt. Wir wollen die Maßnahmen aber so gestalten, dass unsere Unternehmen nicht nur gut durch die Corona-Krise kommen, sondern sich langfristig wappnen können für die Herausforderungen der Zukunft: sozialökologisches Wirtschaften, Digitalisierung, demografischer Wandel. Dafür sind entschlossene Hilfen bei der Restrukturierung von Unternehmen, Leitplanken für klimaneutrale Produktion und Carbon Divestment sowie massive Investitionen in Infrastruktur, Qualifizierung und Forschung notwendig.

Restrukturierung statt Insolvenz: Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bilden das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Diese Struktur stellt einen Vorteil in der Krise dar, auch wenn die Corona-Pandemie viele KMU schwer getroffen hat. Wir brauchen aber, gerade für die anstehenden Zukunftsaufgaben, eine dynamische innovative Wirtschaft.

Nicht alle Insolvenzen werden verhindert werden können, aber wir wollen angeschlagenen Betrieben wo möglich eine Sanierung ohne das Stigma der Insolvenz ermöglichen. Es ist richtig, dass die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, bis Ende des Jahres ausgesetzt wurde - länger allerdings nicht, wenn wir Zombieunternehmen vermeiden wollen.

Sanierungsfähige Unternehmen sollen bessere Möglichkeiten erhalten, den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Der „präventive Restrukturierungsrahmen“ muss deshalb jetzt mit hoher Priorität im deutschen Insolvenzrecht umgesetzt werden.

Um KMU zum Beispiel in der Automobilzulieferbranche in dieser schwierigen Umbruchsphase die Versorgung mit Eigenkapital zu sichern, sollten wir diese mit Hilfe einer Beteiligungsgesellschaft oder einem Transformationsfonds unterstützen.

Für Kleinstunternehmen wollen wir Impulse für Gründungen setzen. Dafür fordern wir ein zinsloses und unbürokratisches Gründungskapital von bis zu 25.000 Euro. Das Gründungskapital soll auch in Insolvenzverfahren genutzt werden können, wenn dadurch das Unternehmen weitergeführt werden kann.

Investieren, und zwar richtig: Der Investitionsstau in Deutschland ist gewaltig, und nur ein langfristiger Investitionspfad führt dazu, dass zum Beispiel die Baubranche Kapazitäten schafft und die Verwaltung Planer*innen einstellt. Wir sollten daher jetzt ein zehnjähriges Investitionsprogramm von insgesamt 500 Milliarden Euro mit den Schwerpunkten Klimaschutz, Forschung, Innovation und Digitalisierung, Bildung, Gesundheit und Pflege sowie Wohnungsbau vorbereiten. Außerdem müssen wir unseren Kommunen, denen bei den öffentlichen Investitionen eine Schlüsselrolle zukommt, ihre Altschulden abnehmen, weil der Bund diese zum Nullzins finanzieren kann. Gleichzeitig wollen wir dafür sorgen, dass nachhaltig investiert wird, um die Klimakrise und ihre Folgen einzudämmen. Wir fordern daher einen vollständigen Rückzug der öffentlichen Hand aus Investitionen in fossile Anlagen. Unternehmen sollten vollständig transparent machen, ob sie in fossile Anlagen investieren oder in emissionsfreie, damit die Anleger*innen auch wissen, in was sie investieren.

In Qualifizierung investieren: Das Kurzarbeitergeld ist ein bewährtes Instrument, um in der Krise Entlassungen zu vermeiden und hat in den letzten Monaten dazu beigetragen, dass Millionen Menschen nicht kurzfristig in große Existenznöte geraten sind. Doch mit einer weiteren Verlängerung ist es alleine nicht getan. Um Kurzarbeit gerade in Branchen, die sich im Transformationsprozess befinden, konsequent mit Qualifizierung und Weiterbildung zu verbinden, schlagen wir ein Qualifizierungs-Kurzarbeitergeld vor. Digitalisierung und der notwendige ökologische Umbau der Wirtschaft verändern die Anforderungen an die Beschäftigten und machen regelmäßige Qualifizierung für alle Erwerbstätigen unentbehrlich.

Einige Branchen werden sich so sehr verändern, dass Jobs verloren gehen; in anderen werden neue Tätigkeitsfelder entstehen. Es gilt für die betroffenen Menschen, frühzeitig – also vor Verlust des Arbeitsplatzes – Perspektiven zu schaffen und ihnen durch Weiterbildung den Weg in neue Jobs ebnen.

Deshalb wollen wir einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung schaffen. Menschen, die arbeitslos, von Arbeitslosigkeit bedroht sind oder Erwerbstätige, die sich für einen Engpassberuf umschulen lassen wollen, sollen künftig während ihrer arbeitsmarktbedingten Qualifizierungen durch ein Weiterbildungsgeld unterstützt werden. Das lebensbegleitende Lernen wird damit Teil des öffentlichen Bildungsauftrags. Die bisherige Arbeitslosenversicherung soll so zu einer Arbeitsversicherung umgebaut werden, denn jeder hat das Recht auf eine bedeutungsvolle Arbeit, von der man gut leben kann.

Ein Sicherheitsversprechen für alle Lebenslagen: Kleine Wohnung, kein Laptop fürs Homeschooling und kaum Perspektiven für die Zukunft - die Corona-Krise hat die Sorgen von vielen Familien befeuert, die von Hartz IV leben oder aufstocken müssen, weil das Einkommen nicht zum Leben reicht. Gleichzeitig haben wir in der Krise gesehen, dass unbürokratische Unterstützung möglich ist. Wir wollen daran auch über die Krise hinaus anknüpfen, Hartz IV überwinden und eine Grüne Garantiesicherung schaffen, die mit angemessenen Regelsätzen Existenzen sichert, Sanktionen abschafft und so Teilhabe für alle Menschen in Deutschland garantiert.

Selbständige besser absichern: Die Pandemie zeigt, wie schlecht abgesichert gerade kleine Selbständige und Freiberufler*innen sind - im Krisenmanagement der GroKo ist diese Berufsgruppe bisher ein blinder Fleck. Wir wollen verhindern, dass Selbständige, die plötzlich völlig unverschuldet ohne Aufträge dastehen, sofort auf das Existenzminimum fallen. In Bereichen, die einen längeren Shutdown erfahren, soll deshalb ein Selbständigengeld gezahlt werden.

Gewerbemieter*innen entlasten: Wir wollen eine faire Verteilung der pandemiebedingten Einbußen zwischen Vermieter*innen und Mieter*innen von Gewerbeflächen, wenn die vertraglich vereinbarte Nutzung eingeschränkt ist. Betriebe und Gewerbe, die direkt von Pandemie-Schließungen oder -Einschränkungen betroffen sind und kaum Nachholeffekte bei den Einnahmen erzielen können, sollten die gesetzliche Möglichkeit bekommen, Mieten zu mindern oder gar auszusetzen. Hierzu kann die österreichische Regelung als Vorbild dienen, die im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch ermöglicht, dass die Mietzahlungspflicht entfällt, wenn das Objekt wegen „außerordentlicher Zufälle“ nicht benutzt werden kann, worunter auch eine Pandemie fällt. Vermieter*innen sollen im Gegenzug ihre Immobiliendarlehensverträge entsprechend anpassen und die Tilgung verlängern können. Und auch für die Zeit nach der Pandemie haben wir gelernt: Deutschland braucht ein starkes Gewerbemietrecht, welches Miethöhen wirksam begrenzt und kleine Gewerbetreibende vor Verdrängung und Kündigung schützt.

3. Schulen und Familien im Mittelpunkt

Kinder und Bildung müssen endlich höchste Priorität in diesem Land haben. Es darf uns nicht noch einmal passieren, dass sich mitten in einer Krise plötzlich niemand mehr so richtig zuständig fühlt für die Jüngsten im Land. Für Kinder, für Jugendliche und für Familien. Dass Schulen und Kitas geschlossen bleiben, weil Fenster nicht geöffnet werden können, Klassenräume viel zu klein oder nicht digitalisiert sind, ist ein wirkliches Armutszeugnis für ein so starkes Land. Föderalismus hin oder her – es geht um das Recht auf Bildung. Statt eines Kooperationsverbots braucht es dringend ein Kooperationsgebot bei der Bildung und Vorsorgemaßnahmen, damit gute Bildung auch unter Pandemiebedingungen gelingt.

Infektionsschutz auch auf Kinder ausrichten: Die bisherigen Regelungen im Infektionsschutzgesetz und entsprechend auch in den Leitlinien und Empfehlungen für Quarantänemaßnahmen sind allein auf Erwachsene ausgerichtet. Es braucht angepasste Vorgaben für Kinder und eine adäquate, an der Fürsorge für ihre Kinder orientierte Kommunikation mit den Eltern.

Zugleich muss es für alle Beteiligten klare Leitlinien für den Umgang mit Kindern geben, die Erkältungssymptome zeigen. Eine Rotznase darf kein Ausschlussgrund vom Kita- oder Schulbesuch sein und muss auch nicht sofort zum Corona-Test führen. Für wirkliche Verdachtsfälle braucht es gesonderte Testmöglichkeiten für Kinder, damit die Kinderarztpraxen nicht überrannt werden. Eltern werden diesen Herbst und Winter ihre Kinder verstärkt wegen Erkältungssymptomen oder Quarantänemaßnahmen zu Hause betreuen müssen. Daher soll der Anspruch auf Kinderkrankentage ausgeweitet werden und die Attestpflicht ab dem 4. Tag gelten, das entlastet auch die Kinderarztpraxen.

Bildungsfonds für zusätzliches Personal an Kitas und Schulen: Die Corona-Pandemie hat die vielerorts schon vorher prekäre Personalsituation an Kitas und Schulen verschärft: Erkrankte, Risikogruppen, neue Aufgaben durch Hygienemaßnahmen oder Digitalisierung machen zusätzliche Kräfte nötig, nicht nur für pädagogische Aufgaben. Daher sollten Bund und Länder gemeinsam einen Bildungsfonds auflegen, über den zum Beispiel Studierende mit pädagogischem Hintergrund, Personen aus Freiwilligendiensten, Lehramtsanwärter*innen und Erzieher*innen sowie Fachkräfte anderer Professionen (zum Beispiel aus dem Kulturbereich) für die Bildungseinrichtungen finanziert werden können. Bei einem angenommenen Personalausfall von 10% ist der Bildungsfonds mit bis zu 5 Mrd. Euro auszustatten.

Frische Luft für Schulen: Um das Infektionsrisiko an Schulen zu senken, sind neben Abstands- und Hygieneregeln gute Lüftungskonzepte unerlässlich. Im Hinblick auf die kalte Jahreszeit sollten Schulen dabei unterstützt werden, Raumluftreiniger für alle Klassenräume anzuschaffen.

Digitalisierungsoffensive für Schulen: Es ist gut, dass die Bundesregierung bei der Ausstattung von Lehrkräften und Lernenden mit Endgeräten noch einmal nachgelegt hat. Es ist ärgerlich, dass nur ein Bruchteil der Mittel des Digitalpakts bisher bei den Schulen angekommen ist. Hier sind unbürokratische Pauschalgenehmigungen nötig, damit endlich Schwung in die Sache kommt. Zusätzlich braucht es einen „Digital-Check“ für jede Schule, damit klar wird, welche Unterstützung von Investitionen bis hin zu Fortbildungen gebraucht wird. Unabdingbare Voraussetzung für digitale Bildung ist der Anschluss aller Schulen ans Breitbandnetz. Der Breitbandausbau muss neben anderen technologischen Innovationen über eine Technologie-Taskforce beim Kanzleramt quer über die ganze Bundesregierung organisiert und finanziert und so zugleich massiv beschleunigt werden.

Es darf nicht wieder passieren, dass unsere Schulen in eine solch chaotische Situation wie im Frühjahr geraten. Die Gestaltung und Begleitung von Fernunterricht in Fällen von Quarantäne oder Teilschließungen ist originäre Aufgabe der Schule, nicht der Eltern. Schulkinder haben Anspruch auf ein pädagogisches Angebot, das dem regulären Umfang entspricht – egal, ob es als Präsenz- oder Fernunterricht umgesetzt wird. Dieses Bildungsversprechen muss eingehalten werden, dafür sind die Voraussetzungen in allen Schulen zu schaffen.

4. Schutz vor Hitze und Trockenheit

Die Corona-Krise hat andere, dringende Probleme überdeckt. Mehrere Hitzesommer, begleitet von extremer Trockenheit, Missernten, Wassermangel und einem inzwischen dramatischen Waldsterben, lassen uns spüren, dass die Klimaerhitzung in vollem Gange ist. Konsequenter Klimaschutz ist daher Gebot der Stunde, um sie auf ein erträgliches Maß zu begrenzen. Daneben braucht es aber auch Maßnahmen, die unser Land auf unvermeidbare Klimaveränderungen vorbereiten.

Hitzeplan für heiße Sommer: Mit einem Hitzeaktionsplan nach französischem Vorbild können wir die Menschen besser vor Hitze und deren Auswirkungen schützen. Zu einem solchen Plan gehören ein gestuftes Hitzewarnsystem, verbindliche Maßnahmen und klare Kommunikations- und Koordinationsabläufe. Durch die Einrichtung von „kühlen Räumen“ in Gesundheitseinrichtungen können gerade auch Risikogruppen während der Hitzeperioden stärker unterstützt werden. Mit einem bundesweiten Beratungstelefon können Informationen und Hilfestellungen zur Verfügung gestellt werden.

Städte abkühlen: Insbesondere urbane Regionen bekommen die Auswirkungen von Hitzewellen besonders stark zu spüren. Durch die Verdichtung können Innenstädte bis zu acht Grad wärmer werden als das Umland. Mit einem Förderprogramm in Höhe von 800 Mio. Euro können unsere Städte klimaresilienter werden. Mehr Grünflächen, Parks und Gebäudebegrünung, aber auch mehr Wasserflächen und Frischluftschneisen sorgen für natürliche Kühlung in den Städten. Städte vor Überhitzung zu schützen ist eine soziale Verpflichtung, die vor allem denen nutzt, die in kleinen Wohnungen ohne Garten wohnen.

Ein Fonds für den Wald der Zukunft: Ein naturnaher Mischwald mit höherem Laubbaumanteil und vorwiegend heimischen Baumarten aller Altersstufen, mit ungestörtem Bestandsklima und Totholz und einem hohen Artenreichtum stärkt das Waldökosystem und bietet bessere Chancen, der anhaltenden Trockenheit zu widerstehen. Wir brauchen daher dringend einen ökologischen Waldumbau und eine Wende hin zu einer schonenden Waldbewirtschaftung. Bestehende, alte und naturnahe Wälder müssen erhalten und neue Wälder gepflanzt werden. Um die Umwandlung von Plantagen- und Monokulturen zu naturnahen Laubmischwäldern voranzutreiben, wollen wir einen Waldzukunftsfonds von einer Milliarde Euro als erste Unterstützung für die Gesundung und die Umwandlung des kranken Waldes auflegen. Wir brauchen ökologisch ausgerichtete Mindeststandards für die Waldbewirtschaftung. Daran sind auch die Waldhilfen zu knüpfen. Außerdem müssen mehr Flächen aus der Bewirtschaftung herausgenommen und staatliche Flächen konsequent FSC-zertifiziert werden.

Nationale Waldbrandstrategie entwickeln: Bei Waldbränden dürfen Kommunen und Landkreise nicht alleine gelassen werden. Bund und Länder müssen gemeinsam gezielt eine bessere Ausrüstung der Feuerwehren in waldreichen Regionen sowie die Integration der Waldbrandbekämpfung in die Regelausbildung der Feuerwehr fördern. Wir müssen dafür sorgen, dass ausreichend Kapazitäten zur Bekämpfung von Waldgroßbränden, zum Beispiel in Form von Allrad-Löschfahrzeugen, Hubschraubern und Löschflugzeugen, geschaffen werden. Außerdem soll sich Deutschland in das EU-weite RescEU-System mit eigenen Löschflugzeugen einbringen. Wichtig ist auch eine Förderung des ehrenamtlichen Katastrophenschutzes, etwa durch Ermäßigungsvorteile oder Anrechnung der Qualifikation bei Ausbildung und Wartesemestern im Studium.

Wasserspeicherung verbessern: Um Dürren zu verhindern, brauchen wir eine Land- und Forstwirtschaft, die den Boden in die Lage versetzt, Wasser besser aufzunehmen und zu speichern. Dazu nötig ist Humusaufbau und ein gesundes Bodenleben. Ebenso gilt es, die Wasserspeicher der Wälder wieder aufzufüllen, der gezielten Entwässerung von Wäldern gehört endgültig ein Ende gesetzt. Zusätzlich braucht es ein Konzept zur Wiedervernässung von Mooren - das nützt dem Wasserhaushalt, senkt aber auch den Ausstoß von Treibhausgasen.

Versorgungssicherheit gewährleisten: In einigen Regionen wurde in diesem Sommer das Wasser knapp. Die Versorgungssicherheit wird zunehmend zum Thema in ganz Deutschland werden. Gemeinsam mit Ländern, Kommunen und öffentlichen Wasserversorgern wollen wir ein nachhaltiges Wassermanagement etablieren, das Erkenntnisse aus präzisen Grundwasserbilanzen oder hydrologischen Frühwarnsystemen nutzt und alle Nutzungsinteressen in den Blick nimmt. Perspektivisch brauchen wir eine bundesweite Bedarfsplanung. Wichtig ist außerdem, dass wir einen Vorrang öffentlicher Wasserversorgung gegenüber gewerblicher Nutzung gesetzlich festschreiben. Bei Hitze und großer Trockenheit muss die Trinkwasserversorgung gesichert sein - auch fürs lokale Freibad und erst Recht für den Löschtank der örtlichen Feuerwehr.