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Zu den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz

Kommentierung vom 28.10.20

Die Lage spitzt sich von Tag zu Tag zu. Es ist notwendig, den Anstieg der Infektionszahlen zu bremsen, um eine Überforderung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Wir tragen daher notgedrungen die drastischen Einschnitte im Kern mit. Es rächt sich jetzt bitter, dass das letzte halbe Jahr zu wenig genutzt wurde, um diese Phase der Pandemie vorzubereiten, in der Hoffnung, es werde schon nicht so schlimm kommen. Es fehlte Vorausschau, Verbindlichkeit und Konsequenz. Stattdessen hektisches Geziehe und Gezerre, Hin und Her.

Das darf nicht noch einmal passieren. Wir erwarten, dass die Phase des Runterfahrens jetzt konkret genutzt wird, um einen Weg durch den Herbst und Winter aufzuzeigen. Wir müssen weg von dem ad-hoc-Reaktionsmodus. Es braucht eine klare Strategie mit verbindlichen, wirksamen Schritten für die Phase des Wiederhochfahrens und starken Schutz, mit denen wir durch den Winter kommen. Das fängt mit dem überfälligen Einbau von Lüftungsanlagen in Schulen, Gemeinschaftsunterkünften, der Gastronomie an. Es geht über den besseren Schutz von Risikogruppen bis hin zu einem klaren bundeseinheitlichen Regelwerk für die Zeit nach dem Wellenbrecher.

Diese nächste Pandemiestufe muss ergänzt werden durch die nächste Stufe der Solidarität: Es dürfen die, die schon bisher in der Luft hingen, nicht weiter alleine gelassen werden. Es braucht jetzt rasch wirksame Hilfe für die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft genauso wie für die Soloselbstständigen und Startups. Hilfen für Unternehmen müssen so gestaltet werden, dass sie auch wirklich ankommen; das war schon in der ersten Phase ein von der Regierung ignoriertes Problem. Das darf so nicht weiter gehen.

Das Abwägen von drastischen Maßnahmen, zwischen Sicherheit und Gesundheitsschutz und Einschränkungen der Freiheit brauchen den öffentlichen Diskurs und brauchen eine parlamentarische Verankerung – auch um Vertrauen und Zustimmung der Bevölkerung zu erhalten. Im neunten Monat der Pandemie dürfen Grundrechte nicht allein von der Exekutive eingeschränkt werden. Die tief in unseren Alltag eingreifenden Maßnahmen gehören jetzt endlich auf solide gesetzliche Füße gestellt. Deshalb ist die Regierung und die sie tragende Koalition gut beraten, sich des Rückhalts der Parlamente zu versichern. Die dazugehörige Debatte gehört in die Herzkammern unserer Demokratie.

Wir sollten alle auf die Einhaltung der Corona-Regeln achten, sie müssen selbstverständlich kontrolliert werden. Aber niemand darf die Bevölkerung unter Generalverdacht stellen und tiefe Grundrechtseinschränkungen wie sie zum Beispiel die Schleierfahndung darstellt, rechtfertigen. Der Grundsatz der Unverletzlichkeit der Wohnung muss gewahrt bleiben.

Die Pandemie ist längst eine gesellschaftliche Zerreißprobe. Und auch, wenn die Zustimmung zu Einschränkungen noch hoch ist, sehen wir das Ringen in Familien, um den richtigen Weg, die Sehnsucht von Menschen nach direktem Austausch, die Sorge vor Ansteckung, die Angst um die berufliche Existenz, das Zermürbende, weil es keine Perspektive zu geben scheint. Wir wissen, dass sich keiner leicht tut mit den Entscheidungen jetzt. Aber umso wichtiger ist ein belastbares und verlässliches Konzept für den Winter.

Richtig, dass Schulen und Kitas offen bleiben. Hier haben die Verantwortlichen gelernt. Aber es sind dringend sind bessere Schutzvorkehrungen nötig – wir haben viele Vorschläge gemacht, man muss jetzt anpacken.

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