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Wohnen als Recht

Graustufen auf grünem Hintergrund: Kind sitzt auf den Shcultern eines Mannes und sie streichen gemeinsam eine Wand.
© gruene.de

Robert Habeck schreibt in seinem Impulspapier, für welche Maßnahmen sich die Grünen nach der Bundestagswahl einsetzen, um das Recht auf Wohnen zu verwirklichen. Lies hier mehr dazu.

Seit Jahren steigen die Mieten in den großen Städten schneller als die Einkommen. Immer mehr Menschen sind dadurch finanziell überlastet. Vielerorts fällt es Menschen mit geringen Einkommen und Familien schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden, oftmals müssen sie ihre Kieze verlassen. Im europaweiten Vergleich belegt Deutschland bei der Belastung mit Wohnkosten einen Spitzenplatz. Dies ist ein politisches und gesellschaftliches Problem. Doch das, was die politisch Handelnden in den letzten Jahren getan haben, um es zu entschärfen, war halbherzig und reicht nicht aus, um eine Trendwende zu erreichen.

In den letzten Jahren floss in Deutschland mehr internationales und nationales Geldvermögen in Immobilien als jemals zuvor. Dieser Run auf Betongold hat Häuser- und Bodenpreissteigerungen verschärft; die Steigerungen stellen alles, was wir im Nachkriegsdeutschland kennen, in den Schatten. Bei Vielen wächst die Sorge: Welche Familie, welche Alleinerziehende wird als Nächste von den schmerzhaften, oft existenziellen Kollateralschäden dieses Anlegerhypes betroffen sein? Kinder können in längst zu klein gewordenen Wohnungen nicht lernen. Junge Erwachsene können nicht ausziehen und ihr Leben leben und Ältere fürchten, am Ende des Erwerbslebens wegziehen zu müssen, weil die Miete erhöht wird.

Kurz: Mieten schier unerschwinglich, Wohneigentum erst recht – der Immobilienpreisindex von Empirica weist für Wachstumsregionen zuletzt einen Immobilienpreisindex von 186 aus, also fast doppelt so hohe Miet- und Kaufpreise wie 2009, dem Jahr der Finanzkrise. Zuletzt explodieren sogar die Preise in Abwanderungsregionen: in den letzten fünf Jahren um 30 Prozentpunkte. Die soziale Marktwirtschaft ist hier unter die Räder gekommen.

Wir sehen in diesen Tagen zum wiederholten Mal, wie Mieter*innen gemeinsam mit Gewerkschaften, Sozialverbänden und Umweltorganisationen für ihre Rechte auf die Straße gehen, unter dem Motto: Wohnen für alle! Wir brauchen dringend eine neue Balance. Wir müssen weg von einer Wohnungspolitik nur für Investor*innen und Vermögende. Nötig ist Mietenfrieden, der mit wirksamen Mitteln die Interessen der Mieter*innen schützt, der günstigen Wohnraum schafft und sichert.

Um das Recht auf Wohnen zu verwirklichen, wollen wir uns nach der Bundestagswahl für folgende Maßnahmen einsetzen:

Sozialen Wohnungsbau wiederbeleben – 1 Million neue Sozialwohnungen bauen

Es fehlt vor allem an Wohnraum zu bezahlbaren Mieten. Wir investieren zu wenig in Sozialwohnungen, um allein die wegfallenden Sozialwohnungen zu ersetzen oder sie wieder neu an eine soziale Vermietung zu binden. Im Schnitt verliert Deutschland in jeder Stunde drei Sozialwohnungen. Die große Koalition hat beschlossen, die Mittel für den sozialen Wohnungsbau noch weiter zu kürzen. Wir wollen die Bundesförderung dauerhaft erhöhen und eine neue Wohngemeinnützigkeit einführen: Vermieter*innen, die sich zu dauerhafter Sozial- und Mietenbindung verpflichten, erhalten im Gegenzug Steuervergünstigungen und Investitionszulagen – egal, ob kommunale Wohnungsgesellschaft, Genossenschaft oder private Kleinvermieter*innen. Unser Ziel ist, den Rückgang der Sozialwohnungen zu stoppen und binnen 10 Jahren den Bestand um eine Million Wohnungen zu erhöhen. Und wir wollen bestehende Mietwohnungen erhalten und vor der spekulativen Umwandlung in Eigentumswohnungen schützen. Dafür wollen wir das Umwandlungsverbot und den Milieuschutz ausweiten und auf rechtssichere Füße stellen.

Rasanten Mietenanstieg stoppen

Die Mietpreisbremse hat ihre Wirkung nie entfalten können, weil sie von Ausnahmen durchlöchert ist. Wir werden die Ausnahmen, beispielsweise für möblierte Wohnungen, konsequent abschaffen und den Erhalt der Mietpreisbremse dauerhaft sichern. Reguläre Mieterhöhungen werden wir auf maximal 2,5 Prozent pro Jahr innerhalb des Mietspiegels deckeln. Qualifizierte Mietspiegel soll es überall geben. Damit der Anstieg der ortsüblichen Mieten deutlich gedämpft wird, sollen zur Berechnung die Verträge der letzten 20 Jahre herangezogen werden. Länder und Kommunen müssen bei Notlagen auf ihren Wohnungsmärkten mehr tun können. Deswegen wollen wir ein Bundesgesetz, das ihnen ermöglicht, rechtssichere Mietobergrenzen im Bestand festzulegen. Um Mieter*innen direkt zu entlasten, werden wir in der Betriebskostenverordnung festlegen, dass die Grundsteuer nicht mehr auf die Mieter*innen abgewälzt wird.

Klimagerechtes Wohnen muss auch sozial gerecht sein

Einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen ist eine Mammutaufgabe. Die finanziellen Belastungen, die dadurch vorübergehend entstehen, müssen gerecht verteilt werden. Sie dürfen nicht weiterhin allein bei den Mieter*innen abgeladen werden. Wir wollen die Modernisierungsumlage senken und bei maximal 1,50 Euro pro m² deckeln. Außerdem werden wir energetische Sanierungen stärker öffentlich fördern und die Förderung am erreichten energetischen Standard und damit auch an den eingesparten Heizkosten ausrichten. So werden energetische Sanierungen perspektivisch warmmietenneutral. Den CO2-Preis sollten allein die Vermieter*innen tragen, denn nur sie können darüber entscheiden, ob saniert und eine neue Heizung eingebaut wird oder nicht. Der Plan von CDU/CSU, die Kosten des CO2-Preises bei den Mieter*innen abzuladen, belastet dieses dagegen unbotmäßig. Klimaneutralität wollen wir durch den Umstieg auf energiesparende Wärme aus erneuerbaren Energien erreichen – warme Wohnungen und das klimaneutral, darum geht es.

Wohnungsverlust verhindern – Wohnungslosigkeit bekämpfen

Die Angst davor, die eigene Bleibe zu verlieren, ist eine immense Belastung für Mieter*innen und Mieter, und sie hat während der Corona-Krise noch einmal besondere Brisanz bekommen. Die Wohnung, das ist mehr als nur vier Wände, Tisch und Stuhl. Mal ist sie Schutzraum, mal Sehnsuchtsort, mal Lebensziel. Wir wollen einen besseren Kündigungsschutz, der klarstellt, dass durch Nachzahlung eine Kündigung und eine Räumung immer abgewendet werden kann. Zwangsräumungen, die aus der Wohnung auf die Straße führen, darf es nicht mehr geben. Wir setzen uns für kostenfreie Mieter*innenberatungen ein und wollen die Schuldner*innenberatung in den Kommunen ausbauen. Schon heute sind etwa 700.000 Menschen wohnungslos und 40.000 Menschen leben auf der Straße. Wir werden ein nationales Aktionsprogramm gegen Obdachlosigkeit auflegen und einen Housing-First-Ansatz durchsetzen, damit jeder eine Wohnung erhalten kann, ohne sich dafür zuvor „qualifizieren“ zu müssen.

Schmutziges Geld raus aus dem Immobiliensektor

Deutschland gilt innerhalb der europäischen Union als Geldwäscheparadies. Gerade im Immobiliensektor werden häufig dreckige Gelder angelegt und über den Kauf gewaschen. Häufig wissen die Mieter*innen noch nicht einmal, wer sich eigentlich hinter der ominösen Gesellschaft verbirgt, die ihr Haus gekauft hat. Wir werden ein Immobilienregister einführen, welches die hinter den Gesellschaften stehenden Personen aufdeckt. Mieter*innen, aber etwa auch Journalist*innen sollen diese Informationen abrufen können. Bargeld beim Immobilienkauf wollen wir verbieten. Auch die Steuerumgehung mittels Immobilien werden wir bekämpfen, indem wir die sogenannten share deals abschaffen und wirksamer gegen Zinszahlungen in Niedrigsteuerländer vorgehen.

Öffentlicher Grund und Boden

Die stark steigenden Bodenpreise sind - neben Problemen in der Lieferkette bei Baustoffen - der Hauptreiber der Baukosten. Das gilt gerade in Großstädten und Orten, die aufgrund von Arbeitsplätzen, Bildungsmöglichkeiten und guter Verkehrsanbindung passende Wohnorte für Viele wären. Auch das Bundesverfassungsgericht sieht bei Grund und Boden eine besondere Verantwortung des Staates. Aber der Staat setzt auf den Markt und zieht sich immer weiter zurück. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) verkauft ihre Flächen immer noch meistens an den Höchstbietenden. Das werden wir ändern. Statt an renditegetriebene Investoren wird der Bund seine Liegenschaften künftig Kommunen oder Nutzer*innen die sich dem Gemeinwohl verpflichten, wie etwa Kindergärten, Jugendzentren, öffentliche Sportanlagen und Sportvereine, Musikspielstätten, Seniorenclubs, Kiezkneipen, Studierenden- und Auszubildendenwohnheime, Werkswohnungen, und Nachbarschaftshäuser, und Wohnungsgenossenschaften und Mietshäusersyndikate, die günstige Wohnungen und Wohnungen zur Wiedereingliederung für Wohnungslose oder mit Vorfahrt für Menschen mit Beeinträchtigungen zur Verfügung stellen. Damit Kieze kiezig bleiben. Dafür werden wir die BImA in einen gemeinnützigen Bodenfonds umwandeln. Dieser soll strategisch neue Flächen erwerben und diese nicht länger verkaufen, sondern nur in Erbpacht für unser Gemeinwohl abgegeben werden. Das stärkt den Zusammenhalt und stoppt die Spaltung unserer Gesellschaft. So lässt sich eine Sozialbindung dauerhaft durchsetzen. Die Einnahmen des Fonds werden dann verwendet, um weitere Flächen zu kaufen. So wird der Rückzug der öffentlichen Hand aus dem Wohnungsmarkt beendet.

Der Traum von den eigenen vier Wänden

Viele Menschen sehnen sich für ihr Lebensglück nach einem Ort zum Bleiben. Wohneigentum ist aber für etliche ein Wunsch, der wegen explodierender Immobilienpreise immer schwerer zu erfüllen ist. Wir wollen den Erwerb von Wohneigentum – auch im Bestand – erleichtern. Deshalb soll das Prinzip „Wer den Makler bestellt, bezahlt“ genauso für Immobilienkäufe eingeführt werden, so wie es für Maklerprovisionen bei Vermietungen bereits gilt. Wir streben an, die Courtage deutlich zu reduzieren, damit sie nicht auf verstecktem Weg zu noch höheren Kaufpreisen führt. Dazu wollen wir die Kaufnebenkosten weiter senken, indem wir es den Ländern ermöglichen, den Steuersatz der Grunderwerbssteuer beispielsweise für große Wohnungsunternehmen zu erhöhen und für Selbstnutzende zu senken. Wir wollen Mietkauf für selbstgenutztes Wohneigentum über die Länder und Kommunen fördern, auch den Kauf und die Modernisierung leerstehender Wohnungen und Aus-bauten zu günstigem Wohnraum unterstützen wir. Beteiligungen an Genossenschaften und den gemeinschaftlichen Erwerb durch Mieter*innen, beispielsweise im Rahmen des Mietshäusersyndikats und anderer gemeinschaftlicher Projekte, wollen wir unterstützen, zum Beispiel indem wir unbürokratisch günstige Kredite oder Bürgschaften gewähren.

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