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Artikel

Unterhaltsrecht reformieren, Alleinerziehende entlasten

Ein Debattenbeitrag von Franziska Brantner und Thomas Poreski.

1. Alleinerziehende werden weiter stark benachteiligt

Für Alleinerziehende, die für ihre Kinder keinen bzw. nur einen viel zu niedrigen Unterhalt vom zahlungspflichtigen Elternteil erhalten, gibt es den staatlichen Unterhaltsvorschuss. Seit Juli 2017 wird diese Geldleistung grundsätzlich für alle minderjährigen Kinder gewährt - nicht nur für unter 12-Jährige und nicht mehr begrenzt auf einen Zeitraum von 6 Jahren. Je nach Alter liegt der Monatsbeitrag gegenwärtig zwischen 150 und 272 Euro. Mit der aktuellen Rechtslage wurden - auch von Grüner Seite über lange Zeit kritisierte - Missstände beseitigt. Es werden jetzt viel mehr Haushalte von Alleinerziehenden durch den Unterhaltsvorschuss entlastet.

Unverändert muss die Leistung jedoch von den Alleinerziehenden beantragt werden. Dies bedeutet für sie häufig einen besonderen Druck, der nicht nur darin besteht, den bürokratischen Aufwand und den damit verbundenen Stress auszuhalten. Den nicht zahlenden Elternteil – überwiegend der Vater - „anzuschwärzen“ birgt immer die Gefahr, die brüchige Beziehung der Kinder zu diesem Elternteil weiter zu belasten. Faktisch werden dadurch immer wieder Rechtsansprüche auf Unterhalt nicht wahrgenommen.

Durch die mit der neuen Rechtslage gestiegenen Fallzahlen wird zudem das Problem verschärft, dass eine „Rückholung“, also das Eintreiben des Unterhaltsvorschusses beim zahlungspflichtigen Elternteil, durch die Behörden aufwendig ist und in sehr vielen Fällen nicht gelingt. Die „Rückholquoten“ liegen in der Regel unter einem Drittel. Die Gründe dafür sind vielfältig, es wird auch von einem Anteil der zahlungspflichtigen Elternteile ausgegangen, die nicht zahlungsunfähig, sondern zahlungsunwillig ist. Sie bezahlen keinen Kindesunterhalt, obwohl ihr eigenes Einkommen dafür ausreicht, dieses also auch mit der Unterhaltszahlung - oft sogar weit -über der maßgeblichen Pfändungsfreigrenze läge.

2. Kriterien für eine Reform des Unterhaltsrechts

Nach heutiger Rechtslage müssen Alleinerziehende einen Antrag stellen, wenn der zahlungspflichtige Elternteil keinen beziehungsweise keinen ausreichenden Unterhalt bezahlt. Dies belastet ihren ohnehin schwierigen Alltag und ist auch deswegen prekär, weil etwa 40 Prozent der Alleinerziehenden mit ihren Kindern unter der Armutsgrenze leben und diese Personengruppe die höchste Armutsquote aufweist.

Eine Reform des Unterhaltsrechts muss daher mehrere Ziele verfolgen:

  • Alleinerziehende müssen von der Last der Antragstellung beim Unterhaltsvorschuss möglichst befreit werden. Sie und ihre Kinder müssen verlässlich mit dem ihnen zustehenden Unterhalt rechnen können.
  • Möglichst alle Unterhaltspflichtigen müssen ihrer Verantwortung gerecht werden. Nicht bezahlter Unterhalt - durch aus Scham versäumte Antragstellungen oder Verweigerung der Zahlungspflichtigen - muss der der Vergangenheit angehören.
  • Das Verfahren muss transparent und auch für die öffentliche Verwaltung einfacher als bisher zu handhaben sein und dadurch die Jugendämter entlasten.

3. Lösung: Zahlungspflichtige werden automatisch herangezogen

Um Alleinerziehende zu entlasten, werden künftig die zahlungspflichtigen Elternteile automatisch herangezogen: Das Finanzamt zieht den gerichtlich festgelegten Unterhalt – mindestens die Summe des Unterhaltsvorschusses - monatlich automatisch beim Zahlungspflichtigen ein und überweist ihn an den Alleinerziehendenhaushalt. Der zahlungspflichtige Elternteil wird gesetzlich zur Einwilligung verpflichtet. Eine Verweigerung bzw. ein nicht gedecktes Konto führt bis zur Pfändung.

Kann der/die Zahlungspflichtige seiner Verpflichtung nicht nachkommen bzw. würde er/ sie mit der Unterhaltszahlung unter die Pfändungsfreigrenze rutschen, kann er oder sie einen Antrag auf staatliche Unterstützung stellen: Wäre das Einkommen ohne Unterhaltszahlung oberhalb der Pfändungsfreigrenze, wird der Fehlbetrag bis zur Pfändungsfreigrenze aus der Unterhaltsvorschusskasse erstattet. Liegt das maßgebliche Einkommen auch ohne den fälligen Kindesunterhalt schon unterhalb der Pfändungsfreigrenze, erfolgt kein Rückgriff. In diesem Fall wird der Unterhaltsvorschuss behördlicherseits automatisch an den Alleinerziehendenhaushalt überwiesen.

4. Vorteile der Neuregelung

  • Alleinerziehende werden massiv von Bürokratie entlastet und davon, den Unterhaltszahlungen „hinterherzurennen“.
  • Es gibt keine Dunkelziffer nicht beantragter Leistungen mehr.
  • Die Unterhaltsleistungen an den Alleinerziehendenhaushalt fließen automatisch, die Armutsquote dieser Personengruppe sinkt.
  • Durch die Beweislastumkehr und den automatischen Geldeinzug müssen gegebenenfalls die Unterhaltspflichtigen nachweisen, dass sie durch den Unterhalt unter die Pfändungsfreigrenze rutschen würden. Sie können dann ggf. Leistungen beantragen, werden also finanziell gegenüber dem heute gültigen Recht nicht schlechter gestellt.
  • Durch die Erfassung aller Zahlungspflichtigen, den direkten staatlichen Unterhaltseinzug, die Beweislastumkehr und die Notwendigkeit die eigenen finanziellen Verhältnisse ggf. zu offenbaren, wird die Zahl derer, die trotz Verpflichtung keinen Unterhalt bezahlen, massiv sinken.
  • Für die staatlichen Behörden sinkt der Aufwand: Das Verfahren ist stärker automatisiert. Es gibt viel weniger Zahlungssäumige. Die vergleichsweise wenigen verbleibenden Unterhaltssäumigen können konzentriert verfolgt werden. Anträge von nicht leistungsfähigen zahlungspflichtigen Elternteilen sind nicht aufwendiger zu bearbeiten als die bisherigen Anträge von Alleinerziehenden.
  • Entlastung der Jugendämter und Möglichkeit Ressourcen auf die Unterstützung der Kinder und Familien zu konzentrieren.

5. Zusammenfassung

Die vorgeschlagene Unterhaltsrechtsreform sieht vor, dass der Unterhalt künftig direkt bei den Zahlungspflichtigen eingezogen wird. Kommen sie dadurch in Schwierigkeiten, können sie Leistungen beantragen. Die Alleinerziehenden bekommen den Unterhalt automatisch und garantiert ausbezahlt. Dies stellt mehr Gerechtigkeit für Alleinerziehende her und entlastet sie von Bürokratie und Alltagssorgen. Die Reform trägt dazu bei, dass die Armutsquote von Alleinerziehendenhaushalten sinkt. Sie verhindert in großem Maß den heute massenhaften Betrug an Alleinerziehenden und ihren Kindern durch säumige Unterhaltsverpflichtete. Ehrliche Unterhaltsverpflichtete werden durch die Reform finanziell nicht zusätzlich belastet. Die behördliche Bearbeitung von Unterhaltsfragen wird entlastet und effektiver, Jugendämter entlastet.

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