Autor*innenpapier

Umbau der EU-Agrarpolitik jetzt! – Ein Zukunftspaket für eine vielfältige und lebendige Landwirtschaft

Autor*innen-Papier von Robert Habeck, Toni Hofreiter, Renate Künast, Friedrich Ostendorff, Harald Ebner, Markus Tressel, Franziska Brantner und Martin Häusling

Das Papier inklusive Zeitplan gibt es hier zum Download.

Die Landwirtschaft der Zukunft arbeitet mit der Natur und erhält unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Zu ihr gehören fruchtbare Böden, artenreiche Wiesen und Felder, Tiere auf der Weide und eine vielfältige und lebendige bäuerliche Landwirtschaft. Gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern wollen wir unsere Ziele für Biodiversität und Klimaschutz erreichen und den Wünschen der Bevölkerung nach einer artgerechten Tierhaltung, einem lebenswerten ländlichen Raum und gesundem Essen nachkommen.

Die immer mehr auf Industrialisierung getriebene Landbewirtschaftung verursacht vielerorts in der EU erhebliche Probleme u.a. in den Bereichen Klima- und Gewässerschutz, Artenvielfalt und Tierschutz. Doch die planetaren Grenzen lassen keine weiteren Verzögerungen zu, sondern erfordern heute konkretes und dringendes Handeln. Die bisherige Förderpolitik der EU scheint von dieser Problematik jedoch unberührt zu sein, hier gilt das Prinzip: „wer hat – dem wird gegeben“: Aktuell bekommt ein 50 ha Betrieb 14.000 Euro, ein 5000 ha Betrieb 1,5 Mio. und das unabhängig davon, wie viele Leistungen für Umwelt-, Natur- und Klimaschutz sie erbringen. In Zukunft soll ein neues Prinzip gelten: Die Landwirt*innen, die die meisten gesellschaftlichen Leistungen erbringen sollen die höchsten finanziellen Förderungen erhalten. Mit einer Gemeinwohlprämie wollen wir die Landwirte und Landwirtinnen für die Güter entlohnen, für die der Markt bisher keinen Preis kennt.

Der Zeitpunkt für einen Kurswechsel ist jetzt. Denn aktuell laufen die Verhandlungen über die EU-Agrarpolitik auf Europäischer Ebene. Die Gemeinsame Agrarpolitik ist das zentrale Werkzeug, um die Agrarpolitik zukunftsfähig und entschieden umzubauen und bäuerlichen Betrieben eine Zukunftsperspektive zu bieten. Es geht um viel Geld - jährlich werden in der EU rund 64 Milliarden Euro, davon etwa rund 6,7 Mrd. in Deutschland, für die Förderung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume ausgegeben. Wenn die Milliardensubventionen nicht gerechter und ökologischer verteilt werden, drohen weitere Bauernpleiten und die ökologischen Krisen verschärfen sich.

Wissenschaft und Gesellschaft sind sich einig, dass wir jetzt eine echte Reform und Neuausrichtung der EU-Förderpolitik brauchen. Die wissenschaftlichen Beiräte der Bundesregierung für Agrarpolitik und für Biodiversität fordern seit langem deren konsequenten Umbau. Und auch die Europäische „Farm to Fork“- und die Biodiversitätsstrategie des Green Deals der EU-Kommission zeigen in die richtige Richtung.

Doch die Vorschläge von Kommission und Rat zur Agrarpolitik laufen dem zu wider. Sie konterkarieren die ökologischen Ziele der EU. Und auch Julia Klöckner, die Bundesagrarministerin, die die deutsche Ratspräsidentschaft nutzen könnte, um einen Kurswechsel einzuläuten, tut das Gegenteil. Sie will die ohnehin schon unzureichenden Vorschläge von Rat und Kommission weiter abschwächen. Damit verhindert sie den nötigen Kurswechsel. Wir fordern die Europäische Kommission und Julia Klöckner auf, jetzt eine wirkliche Neuausrichtung der EU-Förderpolitik einzuläuten. Mit einer zukunftsfähigen Landwirtschaft, die mit der Natur arbeitet, sind wir in der Lage, bekannten Problemen wie Biodiversitäts- und Bodenverlust entgegenzuwirken. Es ist jetzt an der Zeit diesen Weg zu gehen.

Der Status Quo: Ungerechte Verteilung der Gelder ohne Lenkungswirkung

Die Förderung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums erfolgt primär über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union.. Seit den Berliner Beschlüssen zur Agenda 2000 unterteilt sie sich in zwei unterschiedliche Politikbereiche („Säulen“).

Die Subventionen werden vor allem nach der Größe der von Landwirt*innen bewirtschafteten Fläche bemessen– und damit auch völlig unabhängig davon, auf welche Weise – und das bedeutet beispielsweise auch: wie umweltfreundlich oder eben auch nicht – eine Fläche bewirtschaftet wird. Durch den ausschließlichen Flächen(größen)bezug werden zudem nicht-flächenbezogene landwirtschaftliche Tätigkeiten weder im positiven Sinne befördert (z.B. extensive Weidetierhaltung) noch auf deren negative Aspekte (z.B. nicht flächengebundene industrielle Tierhaltung) lenkend eingewirkt. Den Direktzahlungen fehlt somit jegliche Steuerungswirkung zur Erreichung der gesellschaftspolitischen Ziele der GAP.

Greenwashing statt Greening

Durch das mit der Förderperiode 2014-2020 eingeführte sog. „Greening“ wurde der Versuch unternommen, die Direktzahlungen stärker an Umweltanforderungen zu binden. Seitdem sind 30% der Direktzahlungen an von Landwirt*innen zu erbringende Umweltleistungen wie Grünlanderhalt, ökologische Vorrangflächen (zurzeit auf mindestens 5% der LN eines Betriebs) und Fruchtartendiversifizierung gekoppelt. Für den Schutz und Erhalt einer hohen biologischen Vielfalt haben ökologische Vorrangflächen eine große Bedeutung. Doch wegen der geringen und großenteils wirkungslosen Anforderungen an die ökologischen Vorrangflächen muss die Umsetzung des Greenings in Deutschland als gescheitert betrachtet werden: Die ökologischen Vorrangflächen haben vor allem deshalb nur eine geringe Wirkung für die Erhaltung und Förderung der Biodiversität, weil die Greening-Anforderungen auch durch übliche landwirtschaftliche Verfahren erfüllt werden können, wie Zwischenfruchtanbau, Untersaaten oder den Anbau stickstoffbindender Pflanzen. Der geringe ökologische Nutzen der ökologischen Vorrangflächen geht zudem mit einer zum Teil deutlichen Überzahlung dieser (geringen) Greening-Leistung einher.

Ein Systemwechsel ist nötig

Über die GAP muss europaweit der Umbau der Landwirtschaft hin zu zukunftsfähigen und ökologischen Bewirtschaftungsformen, die umweltverträglich sind, Klimaschutz und Klimaanpassung verfolgen und ein hohes Tierschutzniveau garantieren, gewährleistet werden. Besonders nachhaltige und langjährige Prozesse sowie Anbausysteme müssen wegen der deutlich höheren Umweltwirkung entsprechend honoriert werden. Die bisherigen Minimalstandards für flächenbezogene Direktzahlungen haben zu keinen entscheidenden Verbesserungen bei Klima- und Naturschutz geführt.

Ziele der „Farm to Fork“- und der Biodiversitätsstrategie umsetzen

Die EU-Kommission hat im Rahmen des Green Deals mit der „Farm to Fork“- und der Biodiversitätsstrategie zwei Strategien vorgelegt, die zu einer Ökologisierung beitragen könnten – vorausgesetzt die Pläne finden Einzug in die Ausgestaltung der GAP. Unser Ziel ist daher, dass die Kernziele der beiden Strategien europaweit umgesetzt werden:

  • Die „Farm to Fork“-Strategie sieht bis 2030 eine generelle Halbierung der Einsatzmengen bzw. des Risikos chemischer Pestizide als auch eine Halbierung der Mengen von Pestiziden mit höherem Risiko vor. Dazu muss die EU-Kommission bis Ende 2021 eine Strategie vorlegen. Die GAP muss hierfür die notwendigen Werkzeuge bereitstellen, um die Strategie mit klaren Verpflichtungen legislativ zu verankern.
  • Der Einsatz von Antibiotika soll bis 2030 um 50% gesenkt werden.
  • Nährstoffverluste sollen bis 2030 um 50% reduziert werden.
  • Um das Ziel von 25% Ökolandbau bis 2030 zu erreichen, muss die Finanzierung europaweit sichergestellt werden. Dazu müssen die Länder plausibel darlegen, wie sie diese gewährleisten.

Für Deutschland haben wir noch darüber hinaus gehende Ziele, die wir im Rahmen des nationalen Strategieplans verankern wollen. Neben dem Glyphosatausstieg innerhalb der nächsten Legislatur wollen wir ein schnelles Verbot besonders gefährlicher und leicht flüchtiger Pestizide erreichen. Wir streben außerdem an, die Halbierung des Pestizideinsatzes– schneller als auf EU-Ebene geplant – schon deutlich vor 2030 zu erreichen. Außerdem wollen wir im nationalen Strategie-Plan festlegen, wie wir die Aufstockung des Ökolandbaus auf 30% bis 2030 ermöglichen werden.

Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen

Wir fordern einen systematischen Umbau und ein Auslaufen von rein flächenbezogenen Direktzahlungen und wirkungslosen Minimalstandards hin zur ausschließlichen Honorierung von Leistungen für Gesellschaft und Ökosysteme.

Wir wollen die derzeitige GAP durch ein zukunftsweisendes System einer zielgerichteten Förderung ablösen und insofern radikal umbauen. Diese neue GAP muss mehrere Ziele adressieren, um eine Agrarwende einzuleiten:

  • Größtmöglicher Schutz von Biodiversität, Umwelt und Klima, artgerechte Tierhaltung
  • angemessene und faire Preise von landwirtschaftlichen Produkten für Produzenten und Konsumenten gewährleisten
  • Ernährungssicherheit durch die Produktion qualitativ hochwertiger, gesunder Nahrungsmittel gewährleisten
  • Erhalt einer vielfältigen Agrarstruktur
  • Nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume.

Um den Umbau zu schaffen, wollen wir in der GAP eine Systemwende einleiten, das betrifft eine starke Konditionalität, die Überführung der bisher weitestgehend undifferenziert gezahlten Direktzahlungen in eine Gemeinwohlprämie sowie eine starke 2. Säule. Damit soll der Ausbau des Ökolandbaus gefördert und die Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft systematisch vorangetrieben und ausgebaut werden. Mit dem notwendigen Systemwechsel wollen wir die herkömmliche Säulenstruktur der GAP auflösen.

Am Ende des Prozesses sollen staatliche Gelder nur noch zur gezielten Unterstützung gesellschaftlich gewollter Zustände und Strukturen eingesetzt werden und über Gemeinwohlleistungen angemessen honoriert werden. Das sind z.B. Leistungen in den Bereichen Biodiversität, Klima-, Umwelt oder Tierschutz. Dabei muss es Landwirt*innen selbstverständlich freistehen, als Unternehmer*innen eigenverantwortlich über die von ihnen bevorzugte betriebliche Ausrichtung zu entscheiden: Also ob sie innerhalb des ordnungsrechtlichen Rahmens landwirtschaftliche Güter ohne ökologischen Zusatznutzen – dann aber subventionslos – produzieren oder alternativ (zusätzlich) gesellschaftliche Leistungen erbringen wollen, die dann in geeigneter Weise honoriert werden.

Wir wollen mit einem ehrgeizigen nationalen Strategieplan, die Spielräume, die die EU-Kommission im Sinne einer Ökologisierung lässt, voll ausschöpfen und einen Systemwechsel hin zu einer zielorientierten Agrarpolitik vollziehen. Über ein verschärftes Ordnungsrecht und die Neudefinition der guten fachlichen Praxis wollen wir diesen Prozess unterstreichen.

Grundförderung an starke Bedingungen (Konditionalität) knüpfen

Die Konditionalität enthält für alle Flächenprämienempfänger*innen verpflichtenden Anforderungen (als Zusammenführung von Cross Compliance und Greening der aktuellen Förderperiode). Um Sicherzustellen, dass sie, im Gegensatz zum bisherigen Greening ökologische Wirksamkeit erzielt, soll ein EU-weit verpflichtendes Mindestniveau an ökologischen Grundanforderungen und Mindeststandards eingeführt werden. Bloßer Flächenbesitz darf nicht weiter vergoldet werden. Die Konditionalität ist u.a. durch folgende Mindestanforderungen zu erfüllen:

  • Erhalt von Dauergrünland
  • Strikter Schutz von Moorböden
  • Mindestfruchtfolgeregelungen, die ökologisch wirksam sind, mindestens 4 Glieder, (Kulturen die auf einem Betrieb in einem Jahr angebaut werden müssen), eine Kultur darf max. auf 30% der Ackerflächen angebaut werden, Mindestanteil an Leguminosen
  • Insgesamt sollen mind. 10% der Flächen als Refugial- bzw. Biotopverbundflächen zur Verfügung stehen, der größere Anteil, mind. 5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche sollte im Rahmen der Konditionalität über ökologische Vorrangflächen mit hohem Umweltnutzen abgedeckt werden (weitere Refugial- bzw. Biotopverbundflächen werden über Maßnahmen aus den Eco-Schemes und aus Maßnahmen der 2. Säule gefördert).
  • Auf ökologischen Vorrangflächen ist der Einsatz von Pestiziden grundsätzlich nicht erlaubt.
  • Eine flächengebundene Tierhaltung mit maximal zwei Großvieheinheiten pro Hektar auf betrieblicher (regionale Kooperationen ermöglicht) und regionaler Ebene.
  • Verpflichtende Einhaltung der Arbeitsnormen der ILO (Internationale Arbeitsrechtorganisation) und der Arbeitsschutzgesetze der jeweiligen Mitgliedstaaten und Kürzung der Beihilfen bei Nichteinhaltung.

Überführung der flächengebundenen Direktzahlungen in eine Gemeinwohlprämie

Aus der 1. Säule erhalten die Landwirt*innen die flächengebundenen Direktzahlungen, ein Teil dieser Direktzahlungen soll durch sogenannte Eco-Schemes an ökologische Leistungen gebunden werden.

Die Eco-Schemes müssen von den Mitgliedstaaten angeboten werden, sind aber für Landwirt*innen freiwillig. Die konkreten Maßnahmen und die Höhe der Prämie bestimmen die Mitgliedstaaten. Ein „Race to the bottom“ darf es nicht geben, daher müssen die Eco-Schemes verpflichtend für alle Mitgliedstaaten sein und die Einführung darf auch nicht um zwei Jahre (wie von der Ratspräsidentschaft vorgeschlagen) verzögert werden.

Es steht jedoch zu befürchten, dass den Eco-Schemes ein ähnliches „Schicksal“ wie den ökologischen Vorrangflächen des derzeitigen Greenings droht, wenn im Zuge des politischen Entscheidungsprozesses der Maßnahmenkatalog neben wirksamen, aber aufwändigeren Maßnahmen auch um einfache Maßnahmen mit geringen Anpassungskosten erweitert wird.

Die Qualität der Maßnahmen der Eco-Schemes muss deshalb wissenschaftlich überprüft und ggf. nachgebessert werden, nur so erreichen wir eine faire Bewertung von Umwelt- und Klimaleistungen ohne Greenwashing. Dazu soll in ein umfassendes Monitoring-System investiert werden. Hierbei sind die Möglichkeiten der Digitalisierung insbesondere zur Verwaltungsvereinfachung zu nutzen.

Bei engen und konkreten Vorgaben können die Eco-Schemes für eine attraktive, wirksame und gezielte Honorierung gesellschaftlich gewünschter Leistungen durch die Einführung einer Gemeinwohlprämie genutzt werden. Geeignete Honorierungssysteme sollen dazu ausgewählt und kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Möglich wäre die Honorierung durch ein System, bei dem Punkte vergeben werden für Maßnahmen für Acker- und Grünland, Sonderkulturen und den Düngebereich (z.B. einfache Hoftorbilanz zur Erfassung/Bewertung des Nährstoffüberschusses). Die Bewertung der Maßnahmen findet anhand einer Punkteskala entsprechend ihrer Wirkung auf die Biodiversität und andere Umweltgüter statt. Die Gesamtpunktzahl für den Betrieb ergibt sich aus der Summe der Punkte aller gewählten Maßnahmen, in die Bewertung müssen die Qualität und die Vielfalt der angewandten Maßnahmen einfließen.

Mit der Entwicklung der Eco-Schemes sollen auch die angebotenen Maßnahmen weiterentwickelt werden. So soll sich der Schwerpunkt auf mehrjährige und systemisch wirkende Maßnahmen verschieben; diese haben einen signifikant höheren Umweltnutzen und bieten Planungssicherheit für die Landwirte. Die Honorierung der Gemeinwohlleistungen führt zu einer Ökologisierung der Landwirtschaft insgesamt, aber besonders zu einer Förderung der ökologischen Landwirtschaft, die ja aus sich selbst heraus naturschonend arbeitet. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass der Ökolandbau, dessen Förderung zunächst weiterhin über die 2. Säule finanziert wird, als besonders nachhaltiges und prozessorientiertes Anbausystem deutlich besser honoriert und in einem neuen System angemessen und langfristig finanziert wird, sodass die Erreichung des Ökolandbauziels gewährleistet ist.

Das Angebot von Maßnahmen zur Honorierung von Gemeinwohlleistungen soll ausgeweitet werden. Die Mitgliedsländer sollen Maßnahmenkataloge entwickeln, die Leistungen in den Bereichen Klima- und Naturschutz, artgerechte Tierhaltung, Biodiversitätsschutz und Erhalt einer agrarstrukturellen Vielfalt und einer bäuerlichen Landwirtschaft etc. verbindlich enthalten. Gefördert werden sollen auch regenerative Systeme (u.A. Agroforstsysteme) und agrarökologische Anbaumethoden.

Alle Maßnahmen sind darauf zu prüfen, dass sie den Zielen zum Erhalts und der Förderung der biologischen Vielfalt entsprechen.

Wir wollen bedingungslose Flächenzahlungen perspektivisch komplett abbauen. Zu Beginn des neuen Förderzeitraums ist ein verpflichtender und steigenden Anteil an Eco-Schemes von mind. 30% einzuführen, der im Laufe der 7-jährigen Förderperiode auf mind. 60% steigen soll (und auf 100% im Laufe der sich anschließenden) um EU-weit eine konsequente Ökologisierung der gesamten Landwirtschaft zu erzielen.

Fördergelder gerechter verteilen

Um Strukturvielfalt auch im Bereich der Betriebstypen zu fördern, möchten wir eine verbindliche Kappung der flächenbezogenen Direktzahlungen bei 100.000 Euro erreichen Eco-Schemes sollen nicht Teil einer Kappung sein.

Deutschland soll die Kappung der flächenbezogenen Direktzahlungen auf 100.000€ pro Betrieb begrenzen, auch wenn die Kappung auf EU-Ebene nur fakultativ eingeführt wird. Dabei sollen die Lohnkosten nach Betriebstypen berücksichtigt werden und frei werdende Gelder im jeweiligen Bundesland verbleiben.

Unternehmensverflechtungen von Holdings und Kapitalinvestoren müssen durch eine verpflichtende Erfassung der Mutter- und Tochtergesellschaften endlich transparent gemacht werden und verbundene Unternehmen gemeinsam veranlagt werden.

Zur Förderung von kleineren und mittleren Betrieben ist die Umschichtung von mehr Direktzahlungen auf die ersten 50 Hektare je Betrieb notwendig.

Eine gut ausgestattete 2. Säule für starke ländliche Räume und für echten Klimaschutz

Das elementare Merkmal der hier vorgeschlagenen neuen Konzeption der GAP ist eine zielgerich-tete Förderung. Deshalb kommt im Transformationsprozess – solange also der Umbau der GAP nicht vollständig abgeschlossen ist – der 2. Säule, neben den Eco-Schemes, eine große Bedeutung zu. Die 2. Säule ist das prädestinierte Instrument für die Förderung qualitativ anspruchsvoller Flächen- und investiver Maßnahmen, z.B. Vertragsnaturschutz oder auch Moorschutz, für den Ökolandbau und den Tierschutz. Für die Ausgestaltung sind die Länder zuständig. Das ermöglicht, dass die Förderung gezielt auf landesspezifische Erfordernisse ausgerichtet wird.

Für die folgende Förderperiode müssen die Möglichkeiten für eine starke 2. Säule umfangreich und effektiv ausgeschöpft werden. Dafür sind auf europäischer Ebene die richtigen Weichen zu stellen.

Wie vom Europäischen Rat vorgeschlagen sollen mind. 25% von der 1. Säule in die 2. Säule umgeschichtet werden können. Ein Umschichten von der 2. Säule in die 1. Säule läuft echten Bemühungen für mehr Klima- und Naturschutz zuwider und ist grundsätzlich nicht erlaubt, stattdessen müssen in den Ländern deutlich mehr Gelder (mind. 50% der Gelder der 2. Säule) für Agrarumweltmaßnahmen, den Ausbau des Ökolandbaus und die Förderung tier- und artgerechter Ställe zur Verfügung gestellt werden.

Die Förderung der Entwicklung ländlicher Räume muss ebenfalls ausreichend gewährleistet werden. Dazu gehört u.a., dass EU-weit mind. 10% der Gelder der zweiten Säule für LEADER eingesetzt werden sollen.

Deutschland muss stärker als bisher von der Möglichkeiten der Umschichtung von der ersten in die zweite Säule Gebrauch machen. Wir wollen den Anteil der Umgeschichteten Gelder kontinuierlich erhöhen bis zum Höchstsatz von 25%.

Unabhängig vom Abbau des Säulenmodells für die Landwirtschaft muss ein Programm für die Entwicklung zukunftsfähiger ländlicher Räume erhalten bleiben. Um die Infrastruktur den Erhalt von lebendigen Dörfern und die Vorhaltung von Basisdienstleistungen zu unterstützen braucht es eigene finanzielle Mittel. Strategisch soll die ländliche Entwicklung und der Auf- und Ausbau von regionalen Wertschöpfungsketten unterstützt werden. Insbesondere die der landwirtschaftlichen Primärproduktion nachgelagerten Bereiche der Lebensmittelverarbeitung, -vermarktung und Logistik sollen gefördert werden und zu einer regional verankerten Lebensmittelversorgung der Bevölkerung beitragen und den Landwirtinnen und Landwirten ein sicheres Einkommen ermöglichen.

LEADER ist als Bottom-Up –Ansatz weiter zu stärken und zu entbürokratisieren, vom Antrag bis zur Kontrolle, damit Engagement vor Ort vereinfacht wird, ohne dabei die partizipativen Prinzipien auszuhöhlen.

Für eine gerechte und stabile Marktstruktur

Für auskömmliche Erzeugerpreise brauchen wir eine Marktpolitik, die den Rahmen für eine faire Gestaltung der Märkte schafft. Dazu gehören vorbeugende Kriseninstrumente zur Marktstabilisierung. Bei Marktkrisen sollen verbindliche Anpassungsmaßnahmen der Erzeugungsmenge an die Nachfrage gegensteuern. Darüber hinaus muss der Zugang zum Markt insbesondere für Kleinerzeuger*innen verbessert und direkte Erzeuger*innen-Verbraucher*innen-Kooperationen und eine regionale Erzeugung und Vermarktung gestärkt werden. Das erfordert auch die Absicherung von fairen Margen innerhalb der Wertschöpfungskette und einen starken Schutz von Erzeuger*innen in der Wertschöpfungskette.

Den Systemwechsel mit Planungssicherheit für die Landwirt*innen beschreiten

Da ein Systemwechsel grundsätzlich nur sukzessive und prozesshaft erfolgen kann, Landwirt*innen eine angemessene Übergangszeit mit Klarheit über die jeweiligen Etappen-Ziele und eine damit einhergehende verbindliche Planungssicherheit brauchen und sich auch im Berufsstand selbst die Erkenntnis zunehmend durchsetzt, dass zukünftig zur Legitimation der erheblichen finanziellen Mittel, die im EU-Haushalt für die Landwirtschaft weiterhin vorgesehen sind, gesellschaftlich akzeptierte Begründungen erforderlich sind, bietet sich ein Systemwechsel in mehreren Schritten an:

1. Etappe (2023-2024): Einstieg in die neue Förderperiode mit einer ambitionierten „Grünen Architektur“:

  1. a. Die verpflichtende Einführung von 30% Eco-Schemes in der 1. Säule als freiwillige Maßnahmen
  2. b. eine starke 2. Säule für ambitionierte und zielgerichtete Maßnahmen (z.B. zur Förderung von Biodiversität, verstärkt Natura 2000, Grundwasserschutz, artgerechte Tierhaltung) durch eine Mittel-Umschichtung in Höhe von 15% von der 1. in die 2. Säule.
  3. c. Konditionalität, die die für Prämienempfänger*innen verpflichtenden Anforderungen festlegt und beispielsweise vorsieht, dass mind. 5% der Ackerfläche eines Betriebes als ökologische Vorrangflächen anzulegen ist.

2. Etappe (2025-2027): Steigerung der zielorientierten Ausgaben für öffentliche Leistungen der Landwirtschaft durch Reduzierung insbesondere auf Kosten der Einkommensgrundstützung:

  1. a. Erhöhung der verpflichtenden Eco-Schemes in der 1. Säule um jährlich 10% bis auf 60%
  2. b. Erhöhung der Umschichtung in die 2. Säule bis auf 25%.
  3. c. Keine Änderung der Konditionalität.

3. Etappe (ab Beginn der sich anschließenden Förderperiode 2028-2030): Vollzug des Systemwechsels in der GAP, zielorientierte Förderung und Umsetzung der ausschließlichen Honorierung gesellschaftlicher Leistungen

  1. a. Umstellung der Förderung auf die gezielte Unterstützung gesellschaftlich gewollter Zustände und Strukturen; Honorierung gesellschaftlich gewünschter Leistungen von Landwirt*innen durch Umsetzung der Gemeinwohlprämie durch ein Punktemodell für einzelbetriebliche Zahlungen in der Landwirtschaft.

4. Etappe (ab 2031): vollständige Umsetzung des Systemwechsels.

Im Jahr 2031 ist die Transformation abgeschlossen, der Systemwechsel in der GAP vollzogen und die Säulenstruktur aufgelöst.

Gemeinsame Ziele in den Bereichen Umwelt-, Klima- und Verbraucherschutz auf EU-Ebene

Auch außerhalb der GAP setzen wir uns für ein ökologischeres Europa ein, welches Klima-, Natur- und Tierschutz ebenso in den Vordergrund rückt wie ländliche Entwicklung und Verbraucherschutz. Daher braucht es zur nächsten Förderperiode einen EU-Naturschutzfonds in Höhe von 15 Milliarden Euro jährlich, um gemeinsam mit Land- und Waldbesitzer*innen die Schutzziele der Natura-2000-Schutzgebiete zu erreichen.

Importe in die EU wollen wir nur zuzulassen, wenn europäische Standards bei Klima-, Umwelt- und Tierschutz angelegt werden. Gleichzeitig dürfen Handelsabkommen den Zielen im Bereich Klima-, Umwelt- und Tierschutz nicht zuwiderlaufen.

Der Absatz von Produkten aus EU-Landwirtschaft soll durch eine einzuführende verbindliche Herkunftsangabe gefördert werden. Auf jedem Produkt soll deklariert sein, wo die Rohstoffe herkommen, statt wie bisher nur der Verarbeitungs- bzw. Verpackungsort. Hierbei muss mit geeigneten Maßnahmen bzw. Fördermodellen sichergestellt werden, dass KMUs und lokale Kleinsterzeuger nicht benachteiligt, sondern besonders gefördert werden.

Um den Tierhaltungsstandard EU-weit zu verbessern und anzugleichen, setzen wir uns für eine verbindliche vierstufige Haltungskennzeichnung für alle tierischen Produkte ein.