Zum Seiteninhalt springen
Artikel

Nicht ein analoger Champion, sondern viele digitale Champions

Eine der größten Schwächen des Bankensektors in Deutschland ist die Digitalisierung. Finanz- und Zahlungsdienstleister wie Paypal, Alibaba, Google und Apple sind klassischen Banken beim Design digitaler Prozesse und der Datenverarbeitung meilenweit voraus. Damit unsere Banken da mithalten können, ist gute Politik gefragt. Es braucht eine solide Regulatorik, die Digitalisierungsanreize schafft und so langfristig den deutschen Banken- und Finanzsektor stabiler und vor allem konkurrenzfähig macht. Wie das gehen kann, skizzieren Robert Habeck und Danyal Bayaz in einem Gastbeitrag für die F.A.Z.

Die Corona-Krise legt die Schwachstelle der traditionellen Banken schonungslos offen: die digitale Transformation. Sie werden von Tech-Konzernen wie Google, Alibaba, Paypal oder Apple bei Zahlungsdienstleistungen um Umsätze und Marktanteile gebracht. Diese Dienste drängen sich zwischen Kunden und Banken, bekommen Informationen über das Kundenverhalten und gewinnen weiter an Marktmacht. Dazu kommen Fintechs, Robo-Advisor und Plattformen, die tief in das Kerngeschäft der Banken eindringen.

All diese neuen Wettbewerber haben eines gemeinsam: Beim Design digitaler Prozesse, beim Zugang zu Daten und ihrer Verarbeitung sind sie klassischen Banken meilenweit voraus. Sie denken dabei schlüssig aus Sicht der Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden. Sobald diese darauf vertrauen, dass Innovationen funktionieren und ihnen das Leben leichter machen, nutzen sie sie und bleiben auch dabei. Beispielhaft hierfür sind digitale Bezahlsysteme.

Von einer besseren Nutzung von Daten könnten aber nicht nur Banken und deren Kunden profitieren. Intelligente Analysen von Daten könnten auch hilfreich sein, um bessere Risiko-Management-Systeme zu entwerfen. Das würde auch der Finanzaufsicht helfen, quasi in Echtzeit bessere Einsichten in Aktivitäten und Risiken von Finanzinstituten zu erhalten. Auch Betrügereien wie bei Wirecard oder P&R, aber auch Geldwäschedelikte hätten so womöglich früher entdeckt oder gar verhindert werden können.

All das zeigt: Solide Regulatorik, die zur digitalen Transformation antreibt, sowie eine kluge Aufsicht auf der Höhe technologischer Möglichkeiten, können den Banken- und Finanzsektor stabiler und wettbewerbsfähiger machen. Hier ist gute Politik gefragt.

Doch leider verfolgen Finanzminister Olaf Scholz und auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier bislang andere Pläne. Ihnen geht es „strategisch“ vor allem um den Schutz oder Aufbau eines vermeintlichen nationalen Champions. Dabei hätte die Bundesregierung schon längst die digitale Regulierung stärker in den Blick nehmen müssen. Denn ob groß oder klein, Banken müssen aus sich selbst heraus profitabel sein. Das können sie im Wettbewerb nur dann erreichen, wenn sie auf die Digitalisierung ihres Geschäftsfelds setzen. Nur so werden Banken, die zur kritischen Infrastruktur zählen, weiterhin ihre dienende Funktion erfüllen, Finanztransaktionen abwickeln und Unternehmen mit Liquidität versorgen, damit diese nicht zuletzt auch in die ökologische Modernisierung investieren können.

Das Ziel ist ein nachhaltiger und digitaler Finanzplatz, der sich neuen Geschäftsmodellen öffnet, die Daten seiner Kunden schützt sowie seiner Verantwortung für die Realwirtschaft und Umwelt gerecht wird. Zu diesem Zweck braucht es Leitplanken für die Digitalisierung des Betriebsmodells, das Outsourcing digitaler Dienstleistungen oder die Nutzung von Cloud-Architektur, damit hier endlich etwas passiert. In dieser Hinsicht ist beispielsweise der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung zur Cyberresilienz im Finanzsektor überfällig.

Wie regulatorische Vorgaben für digitale Schnittstellen die Finanzbranche nach vorne bringen können, hat die Europäische Union mit der zweiten Zahlungsdienstleistungsrichtlinie (PSD2) schon einmal vorgemacht. Sie hat mit dieser Richtlinie Digitalisierung und Innovation in der Branche angetrieben, während Banken sich lange gegen die Öffnung ihrer Schnittstellen gesträubt haben. Teilweise waren sie nun gezwungen, Kooperationen mit Fintechs einzugehen. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass sie zu ihrem digitalen Glück gezwungen werden mussten. In Zukunft besteht aber genau hier eine Chance für die Branche, wenn sie konsequent auf digitale Prozesse nach innen und Schnittstellen zum Kunden und zur Aufsicht nach außen setzt.

Aber auch beim digitalen Bezahlen, das weiter enorm stark wächst, könnte und müsste Politik neue Impulse setzen. Facebooks Plan, mit Libra eine digitale Währung einzuführen, hat Staaten und Banken aufgeschreckt und zurecht Kritik hervorgerufen. Bei einer digitalen Währung ist die Frage allerdings nicht, ob sie kommt, sondern wann, in welcher Form und durch wen – durch Facebooks Libra, durch China über eine Hintertür oder doch als digitaler Euro durch die Europäischen Zentralbank? Hier sollte klar sein: Das Geldmonopol liegt beim Staat und da sollte es bleiben. Das bedeutet aber auch, dass die Politik nicht wie das Kaninchen vor der Schlange verharrt, während technische Innovationen dieses Geldmonopol immer stärker unter Druck setzen. Wichtig wäre zudem endlich ein elektronisches Zahlungssystem für europäische Banken, das - ganz im Sinne europäischer Souveränität - auf einer eigenen Infrastruktur und Technologie aufbaut, wie es die EZB gerade in der European Payment Initiative angeregt hat.

Bei all diesen Themen müsste die Bundesregierung Antreiber und Gestalter sein, nicht bei einer volkswirtschaftlich fragwürdigen Fusion von Privatbanken. Die Frage ist doch nicht, ob Frankfurt, Zürich, Paris oder Amsterdam der europäische Finanzplatz der Zukunft ist. Die zentrale Frage ist, wie wir es im Zeitalter von digitalem Bezahlen, Algorithmen und Big-Data schaffen, dass der europäische Finanzplatz wettbewerbsfähig bleibt, wenn sich Märkte und Geschäftsmodelle durch Krisen, Innovationen oder Megatrends wie Klimaschutz verändern. Digitalisierung schafft ein wirtschaftliches Umfeld, in dem die Akteure bereit sein müssen, sich stetig neu zu erfinden. Die Politik sollte dies mit einer klugen Regulierung nicht nur ermöglichen, sondern geradezu einfordern.

Robert Habeck ist Bundesvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Danyal Bayaz ist Mitglied des Deutschen Bundestages und Leiter des Wirtschaftsbeirats der Grünen Bundestagsfraktion.

Teilen: