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Artikel

Gerecht. Global. Grün.

Dimensionen globaler Strukturpolitik.

1. Die Würde des Menschen ist unantastbar – weltweit und für alle Zeit!

Jeder hat Anspruch auf eine soziale und internationale Ordnung, in der die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden.“

Art. 28 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

Übergeordnetes Ziel unserer Politik ist eine gerechte, solidarische und nachhaltige Welt. Im Sinne der Agenda 2030 fordern wir ein erweitertes Verständnis von Entwicklung, indem soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeitsziele zusammengedacht werden und in diesem Sinne alle Länder ‚Entwicklungsländer‘ sind. Entwicklung muss den Menschen und nicht die Menschen der Entwicklung dienen. Der Zivilpakt und der Sozialpakt der Vereinten Nationen implizieren, dass alle Individuen Rechtsträger sind. Sie haben ein Recht auf ein Leben ohne Furcht und Not, ein Recht auf Nahrung, ein Recht auf Entwicklung und das gleiche Recht am Leben auf der Erde und der Nutzung der globalen Ressourcen. Allen Menschen – heute und in Zukunft – müssen vergleichbar geeignete Entwicklungsbedingungen gewährleistet werden können. Dies betrifft neben der Sicherung sozialer Verhältnisse (Frieden, Sicherheit, und persönlicher Rechte) insbesondere grundlegende Lebensbedingungen und Bedürfnisse bezüglich Gesundheit, Ernährung, Bildung sowie Lebens- und Wohnraum. Diese werden ohne den Schutz der lokalen natürlichen Lebensgrundlagen Boden, Wasser und Luft und der globalen Umweltgüter Klima, Meere und Biodiversität nicht gewährleistet werden können.

Die Würde des Menschen ist überall und immer unantastbar, sie gilt unabhängig vom Geburtsort oder vom Geburtsdatum. Wir stehen damit für eine Politik, die räumliche und zeitliche Gerechtigkeit zum Ziel hat. Unsere Verantwortung endet nicht an nationalen Grenzen oder an den Interessen unserer Generation, sie achtet die Rechte aller Menschen. Diese Überzeugung leitet uns bei unseren politischen Entscheidungen. Dabei ist der Geist der Emanzipation und des Humanismus unsere Triebfeder. Wir kämpfen dafür, dass alle Menschen – heute und in Zukunft – ihre Fähigkeiten entfalten können. Wir setzen uns dafür ein, dass unsere politischen und wirtschaftlichen Handlungen Menschenrechte nirgendwo auf dieser Welt verletzten. Wir wollen, dass alle Menschen ein Leben leben, das sie selbst wertschätzen. Dabei weisen wir kulturellen und wirtschaftlichen Hegemonismus zurück, der Gesellschaften auf eindimensionale Entwicklungspfade führt und die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört. Gleichzeitig verteidigen wir die Universalität der Menschenrechte und individueller Freiheiten als Basis für menschliche Entfaltung und gesellschaftlicher emanzipatorischer Prozesse immer wieder aufs Neue. Diese Grundrechte sind nicht verhandelbar. Wir setzen uns dafür ein, dass jede*r überall und zu jeder Zeit am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben vollständig gleichberechtigt teilhat. Dabei sind wir immer eine starke Stimme für Gleichberechtigung der Geschlechter. Denn gerade Mädchen und Frauen erfahren überdurchschnittlich Ausgrenzung, Ausbeutung und Armut, sind aber gleichzeitig in besonderem Maß Trägerinnen einer nachhaltigen Entwicklung. Wir setzen uns für einen Gesellschaft ein, die kulturelle, religiöse und inklusive Diversität ermöglicht und respektiert.

Entwicklungspolitik muss eingebettet sein in eine Globale Strukturpolitik. Grüne Entwicklungspolitik im Sinne einer globalen Gerechtigkeit beteiligt sich an der Umsetzung der universellen Menschenrechte durch konkrete Programme und Projekte in Partnerländern, aber auch als Anwältin für die Belange der Menschen in den ärmeren Teilen der Welt. Hierbei stehen für uns die Partnerorientierung und Ergebnisse im Vordergrund. Die langfristigen Wirkungen der Vorhaben müssen erhöht werden und die internationalen Prinzipien von Paris, Accra und Busan müssen eingehalten werden. Das Ziel, 0,7% des BNE für offizielle Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden, wollen wir dauerhaft einhalten. Die zugesagten Gelder für die internationale Klimafinanzierung müssen zusätzlich bereit gestellt werden. Hierzu müssen Ministerien, Durchführungsorganisationen, multilaterale Akteure und die Zivilgesellschaft im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung kohärent zusammenarbeiten. Grüne Entwicklungspolitik ist immer politisch und mischt sich ein, wenn Rassismus und Menschenrechtsverletzungen erfolgen. In einer Welt starker nationalistischer Bestrebungen muss sie noch stärker darauf ausgerichtet werden, Brücken zu bauen und Verständnis, Toleranz und Wertschätzung füreinander zu schaffen. Wir Europäer*innen müssen daher konsequent für globale Gerechtigkeit sorgen und gleichzeitig human mit hier ankommenden Menschen umgehen, da die vermeintliche Alternative - der Bau der "Festung Europa" - für uns keine ist.

2. Unsere Weltordnung geht auch gerecht!

Unsere globale Strukturpolitik ist das Gegenkonzept zu einer Weltordnung, die von einer neoliberalen Logik und Deregulierung geprägt ist, die soziale Ungleichheiten befördert und die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört. Trotz der Erfolge der Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommen ist es bisher nicht gelungen, die multilateralen Institutionen zu reformieren und die Globalisierung zu regulieren, um gerechte Lebensverhältnisse für alle zu schaffen. Die Kluft zwischen arm und reich, zwischen denen, die teilhaben, und denen, die ausgeschlossen sind, besteht weiter. Das neoliberale Globalisierungsmodell, in dem die Rendite der Wenigen wichtiger war als die Lebensqualität der Vielen, hat dazu beigetragen das Aufkommen einer neuen rechten Bewegung zu befördern. Die neue nationalstaatliche Stärke ist aber im Kern eine Schwäche. Denn der Nationalismus macht Länder nicht handlungsfähiger, sondern blockiert internationale Kooperation, die zur Lösung vieler Probleme unabdingbar ist.

Wir stehen zur internationalen Kooperation in dem Bewusstsein, dass sich die großen Menschheitsprobleme, nicht hinter nationalen Mauern lösen lassen. Globalisierung ist kein Selbstzweck, wir müssen sie im Interesse der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen über eine globale Strukturpolitik gestalten und die vielfältigen Vorteile kulturellen und wirtschaftlichen Austauschs gerecht verteilen. Dazu zählt, dass wir global denken und lokal handeln – mit diesem Auftrag müssen wir konsequent unsere gesamte Politik an der Agenda 2030 ausrichten. Wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass wir teilweise mit unserer Wirtschafts-, Finanz- und Handelspolitik diese Ziele unterlaufen und das einreißen, was wir mit unserer Entwicklungszusammenarbeit aufgebaut haben. Dies nicht nur, um die nachhaltige positive Wirkung der eingesetzten Steuermittel zu garantieren, sondern v.a. auch um kohärent und glaubwürdig zu sein in dem, was wir tun. Kohärenz und Glaubwürdigkeit sind für uns nicht nur Werte für sich, sie sind auch ein wertvolles Kapital, um im internationalen Miteinander auch andere für eine global gerechte und nachhaltige Entwicklung zu gewinnen. Wir müssen politikfeldübergreifend und interdisziplinär denken und handeln. Globale Strukturpolitik darf nicht nur „als Politik nach außen“ betrachtet werden, sondern ist immer auch Innenpolitik. Dafür müssen auch in Deutschland staatliche Entscheidungsstrukturen geschaffen werden, die innere Widersprüche konsequent im Sinne einer nachhaltigen und gerechten globalen Entwicklung angehen.

Es bedarf auch einer Demokratisierung von Global Governance. Konzepte für die Demokratisierung multilateraler Systeme und Prozesse müssen erprobt werden. Während in der Generalversammlung der Vereinten Nationen alle Länder gleichwertig repräsentiert sind, sind sie dies immer nur über ihre Regierungen und dies unabhängig davon, ob diese aus freien und fairen Wahlen hervorgegangen ist oder nicht. Die Einrichtung eines VN-Parlamentes bestehend aus nationalen Volksvertreter*innen würde einen wesentlichen Beitrag zur Demokratisierung des multilateralen Systems leisten. Im heutigen digitalen Zeitalter sind auch weitere globale partizipative Formate möglich, hier muss mutig und innovativ gedacht werden. Die Kontrollmöglichkeiten von multilateralen Institutionen durch zivilgesellschaftliche Akteure müssen erhöht werden. Im Sinne der Agenda 2030 sollten hierfür neue zivilgesellschaftliche Bündnisse sowie politische und wissenschaftliche Kooperationen gefördert werden, u.a. zwischen den großen sozial-, umwelt- und entwicklungspolitischen Verbänden. Insbesondere muss alles unternommen werden, dass diese Zusammenarbeit auf die Bedürfnisse und Visionen der Bevölkerungen in armen Ländern eingeht und entsprechende demokratische und partizipative Dialogstrukturen schafft. Die Interdependenz zwischen Innen und Außen zu erkennen und danach zu handeln ist auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Gerade Graswurzelorganisationen oder Eine-Welt-Netzwerke können in diesem Zusammenhang eine wichtigen Beitrag für eine wehrhafte Demokratie leisten.

3. Sozial-Ökologische Transformation

Die Transformation in eine sozial-ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige Zukunft ist unser Entwicklungsparadigma. Unser Ziel ist ein Wirtschafts- und Finanzsystem, mit dem wir globale Gerechtigkeit im Jetzt herstellen und nicht länger auf Kosten zukünftiger Generationen und unserer natürlichen Lebensgrundlagen leben. Dies erfordert eine radikale Transformation bisheriger Produktions- und Konsummuster. Die sozialen und ökologischen Kosten unserer Art zu wirtschaften und zu leben müssen transparent gemacht und in die Preise integriert werden und der Verbrauch und die Belastung unserer natürlichen Lebensgrundlagen müssen im Rahmen der planetaren Grenzen bleiben. Produktivitätsgewinne im Rahmen der Digitalisierung müssen gerecht verteilt werden. Einer übermäßigen Konzentration der Marktmacht in der Hand weniger Digitalkonzerne muss konsequent entgegengewirkt werden. Dies ist auch zentral für den Datenschutz. Wir müssen bereit sein, die Verteilungs- und Verteidigungskämpfe gegen die aktuellen Profiteure des Systems konsequent zu führen und uns dabei auch ehrlich machen, inwieweit wir selbst zu diesen Profiteuren gehören.

Wirtschaftliches Wachstum allein ist kein sinnvolles Maß für Wohlstand und Lebensqualität. Vielmehr sind Wirtschaft und Handel Mittel zum Zweck der Erreichung einer größtmöglichen Lebensqualität für alle im Rahmen der Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung und der planetaren Grenzen. Solange Wachstum auf dem Raubbau an Mensch und Natur basiert, setzen wir uns für eine Begrenzung systeminhärenter Wachstumstreiber ein und dafür dass die Verursacher der Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen für deren Wiederherstellung oder Kompensationsmaßnahmen aufkommen. Wir stehen damit für ein Wirtschaftssystem, das nicht nur soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit in Deutschland garantiert, sondern diese global ermöglicht und damit universalisierbar ist. Auch das ist notwendige Voraussetzung für Glaubwürdigkeit in der Politik, für die wir stehen.

Im Rahmen der Agenda 2030 muss "wirtschaftliche Entwicklung" auch in unseren Partnerländern im Sinn einer nachhaltigen Entwicklung definiert werden. Wir wollen Alternativen aufzeigen für Teilhabe und verbesserte Lebensperspektiven nötiges wirtschaftliches Wachstum nicht auf Kosten der sozialen Kohäsion und ökologischer Nachhaltigkeit zu realisieren. Im Sinne von Selbstbestimmung und angesichts planetarer Grenzen und bestehender Ungleichheiten müssen wir auch bereit sein, von Partnern verfolgte alternative Entwicklungspfade zu unterstützen, die der Agenda 2030 entsprechen. Faire Märkte spielen eine Schlüsselrolle zur Entfaltung menschlichen Potenzials, wenn sie wirtschaftliche Diversität und Innovation befördern. Sie müssen gegen die Tendenzen der Monopolisierung im Markt und Vermachtung im Staat verteidigt werden. Dabei müssen wir die Chancen und Risiken der Digitalisierung als Treiber grundlegender Veränderungen im Blick haben. Unsere internationalen Partner müssen wir dabei unterstützen, Chancen zu nutzen, sich auf die Risiken vorzubereiten und passende gesellschaftspolitische Konzepte zu entwickeln. Wir stellen uns einer breiten Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge und Infrastruktur entgegen. Die Handelbarkeit und Renditeerwartung darf bei Investitionsentscheidungen nicht über dem öffentlichen Interesse stehen. Arme Länder dürfen nicht dafür bestraft werden, dass sie die Entwicklung ihrer Volkswirtschaften anstreben, sondern müssen konkrete Unterstützung erfahren, um dies auf eine nachhaltige Art und Weise zu tun. Dies bedeutet auch, dass wir globale Verteilungsgerechtigkeit in einem System natürlich begrenzter Ressourcen neu denken müssen.

Auch die Regierungen der Partnerländer stehen in der Verantwortung für die wirtschaftliche und soziale Situation ihres Landes. Gleichzeitig müssen wir die globalen Wirtschafts- und Finanzstrukturen offenlegen und ändern, die eine nachhaltige Entwicklung ärmerer Staaten erschweren oder unmöglich machen – auch in Deutschland. Dazu gehören grassierende Steuer- und Kapitalflucht aus Entwicklungs- und Schwellenländern, die nicht an nachhaltigen Kriterien orientierte Subventionierung der landwirtschaftlichen Produktion in Industrieländern, die Monopolisierung ganzer Handelszweige, die Privatisierung tradierten Wissens durch globale Konzerne, die kontinuierliche Ausbeutung von Menschen und natürlichen Ressourcen ohne den Aufbau lokaler Wertschöpfungsketten oder die Destabilisierung von ganzen Regionen durch Rüstungsexporte. Wir fordern daher eine konsequente Überprüfung aller Politikfelder auf die Vereinbarkeit mit den nachhaltigen Entwicklungszielen und – wo immer nötig – entschlossenes Gegensteuern.

Eine gerechte Handels- und Investitionspolitik ist daher auch zentraler Baustein für eine nachhaltige Entwicklung. Wir setzen auf asymmetrische Marktöffnung und die Möglichkeit für Entwicklungsländer mit gezielten handelspolitischen Maßnahmen – etwa Exportsteuern oder dem umfangreichen Schutz junger Industrien – eine selbstbestimmte Entwicklung auf Grundlage einer diversifizierten Industrie und Wertschöpfung vor Ort zu gestalten. Dazu müssen auch die Industrieländer ihre Märkte zusätzlich für verarbeitete Produkte aus Entwicklungsländern öffnen und etwa Ursprungsregelungen so ausgestalten, dass die Wertschöpfung dort verstärkt ermöglicht wird.

4. Globaler Klima-, Biodiversitäts- und Meeresschutz – es gibt keinen Planeten B!

Entwicklung und Armutsbekämpfung ist nicht möglich ohne dem Klimawandel, dem Biodiversitätsverlust und der Degradierung der Meere entgegenzutreten, die Ressourcen zu schonen und die ökologischen Lebensgrundlagen zu erhalten. Dies gilt für jedes Land auf dieser Erde. Wir wollen das im Pariser Klimaabkommen verankerte Prinzip der "gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung" konkret in die Praxis umsetzen. Die Weltgemeinschaft muss dem Investitionsbedarf v.a. im Energie-, Wohnungsbau- und Transportsektor im Interesse ökologischer Nachhaltigkeit und mittels verbindlicher Menschenrechts- und Nachhaltigkeitskriterien gerecht werden und unterstützen. Der Schutz und die Bereitstellung globaler Gemeingüter erfordert multilaterale Kooperation und angemessene Lastenteilung.

Zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens wollen wir anderen als zentralstaatlichen Akteuren viel mehr Raum für Innovation, Fortschritt und Eigeninitiative geben und damit die auf dieser Ebene häufig progressiveren Kräfte stärken. Durch die Förderung dezentraler Prozesse und basisdemokratischer Elemente wollen wir den subnationalen Ebenen und Regionen künftig zu mehr Gewicht und Mitsprache in der internationalen und den nationalen Politiken verhelfen. Im Bereich des Biodiversitätserhaltes gilt es, ähnlich dem Pariser Abkommen, ein Abkommen der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Zielvorgaben und konsequenten Umsetzung zu vereinbaren und nachzuhalten. Im Bereich des Meeresschutzes gilt es, ein globales Regime zum Schutz dieses globalen Gemeingutes aufzubauen.

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