"Eine demokratische Form der Parteienfinanzierung"

Porträtfoto von Marc Urbatsch.

Bundesschatzmeister Marc Urbatsch über Spenden, Transparenz und Handlungsbedarf in der Parteienfinanzierung.

Als Bundesschatzmeister verwaltest Du die Finanzen der ganzen Partei. Über wie viel Geld sprechen wir da?

Im Bundestagswahljahr 2017 waren das über 43 Millionen Euro für die ganze Partei – also mit allen 16 Landes-, 417 Kreis- und rund 1.800 Ortsverbänden. 45% Prozent der Einnahmen kommen aus Mitglieder- und Mandatsträgerbeiträgen, 36% aus der staatlichen Teilfinanzierung, 14% aus Spenden, 5% summieren sich aus anderen Einnahmen. Ausgegeben haben wir davon 49% für den Wahlkampf und politische Arbeit, 37% für Personal – Parteiarbeit ist schließlich hauptsächlich Büroarbeit – und 13 % für den laufenden Geschäftsbetrieb.

Welche Vorgaben macht das Parteienrecht für die Finanzierung?

Was man über die staatlichen Mittel wissen muss: Den Betrag, der ihr entsprechend der Wahlergebnisse rechnerisch zusteht, erhält eine Partei nur, wenn sie in gleicher Höhe Eigeneinnahmen nachweisen kann. Das heißt, der Gesetzgeber will explizit, dass Parteien nicht überwiegend von staatlicher Finanzierung abhängen, sondern sich bemühen, eigene Einnahmen zu generieren.

Um welche Einnahmen geht es da?

Einnahmen können Parteien aus verschiedenen Tätigkeiten generieren. Doch auch dazu lässt sich aus dem Parteiengesetz ein klarer Auftrag ablesen: Mitgliedsbeiträge und Spenden von Privatpersonen. Nur Beiträge und Spenden von Menschen werden nämlich steuerlich begünstigt und auch bei der Berechnung der staatlichen Parteienfinanzierung positiv berücksichtigt. Aber nur bis 1.650€ pro Mensch und Jahr. Und nicht von Unternehmen. Der Gesetzgeber möchte also, dass die Parteien ihre Verankerung und Unterstützung aus der Bevölkerung auch in den Einnahmen zeigen. Der Auftrag lautet: Stellt Eure Finanzierung auf eine breite Basis! Das ist ein Gedanke, der zu uns GRÜNEN sehr gut passt und den wir unterstützen.

Welche Bedeutung haben Spenden für die GRÜNEN?

Spenden sind unser drittes, großes finanzielles Standbein - und werden für uns immer wichtiger. Dabei werden Spenden von Privatpersonen wichtiger für uns, während Spenden von Unternehmen eine immer geringere Rolle spielen. 2017 haben wir letztlich 23% unseres Wahlkampfbudgets aus Spenden finanziert. Dabei beträgt die typische Spende an uns 50€, im Durchschnitt waren es 222€.

Viele kleine und mittelgroße Spenden sind nicht nur eine demokratische Form der Parteienfinanzierung - sondern auch ein Stimmungsbarometer: Fundraising heißt immer Kommunikation mit unseren Mitgliedern, Unterstützerinnen und auch Kritikern in und außerhalb der Partei. Wenn wir kein überzeugendes Programm hätten, unsere Basis nicht einbinden würden und mit den Mitteln nicht transparent umgingen, bekämen wir auch keine Unterstützung.

Wie sieht das grüne Fundraising konkret aus?

Wir bitten ganz breit vor allem in der Partei um Geld- aber auch Zeitspenden! Jede und jeder, ob Mitglied oder nicht, soll uns so unterstützen können, wie es ihr oder ihm möglich ist. Beliebt ist unsere Plakat- und Kinospende: Hier kann man sich einen ganz bestimmten Plakatstandort oder Kinosaal für den grünen Wahlwerbespot aussuchen und die Kosten spenden. Wir rufen aber auch vor Wahlen unsere Mitglieder an und bitten um eine Spende für den Wahlkampf. Daneben gibt es Spendenaktionen begleitend zu unseren aktuellen politischen Kampagnen z.B. für den zeitnahen Kohleausstieg, für eine ökologische Landwirtschaft oder gegen Rechts. Jeder kleine Beitrag hilft, am Ende gemeinsam unser Ziel zu erreichen.

Die GRÜNEN setzen sich seit Jahren für mehr Transparenz bei Spenden und Sponsoring ein. Was ist Deine Position dazu?

Spenderinnen und Spender müssen über 10.000€ namentlich im jährlichen Rechenschaftsbericht veröffentlicht werden, ab 50.000€ sofort auf der Webseite des Bundestages. Bisher muss Sponsoring überhaupt nicht als solches im Rechenschaftsbericht ausgewiesen werden, bleibt also vollkommen intransparent. Wir, der Bundesverband der GRÜNEN, haben allerdings schon vor Jahren für uns beschlossen, alle Sponsoring-Einnahmen ab dem ersten Euro zu veröffentlichen. Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass diese Regelung im Parteiengesetz verankert wird und alle Parteien jegliche Sponsoring-Einnahmen transparent machen. Auch für Sponsoring sollte zudem eine sinnvolle Grenze für die Sofortveröffentlichung gelten.

2011 hat der Bundesparteitag der GRÜNEN ein Verbot von Spenden von Unternehmen gefordert. Teilst du diese Position?

Ja, ich finde die politische Unterstützung sollte den Menschen vorbehalten bleiben und nicht den Konzernen. Solange es keine gesetzliche Regelung gibt, die Spenden von Unternehmen verbietet, wollen wir uns im politischen Wettbewerb in einer mediendominierten Gesellschaft nicht schlechter stellen als die politische Konkurrenz. Wir halten uns beim Einwerben von Spenden strikt an unseren Spendenkodex.

Wie bewertest Du in diesem Zusammenhang Sponsoring?

Sponsoring hat einen ganz anderen Charakter; es gibt hier eine klare vertragliche Basis, auf der Leistung und eine angemessene Gegenleistung definiert werden. Vorausgesetzt man macht es transparent – und genau das fordern und machen wir. Bei uns kann jeder nachvollziehen, welches Unternehmen sich mit einem Ausstellerstand auf unserem Parteitag vorgestellt hat und wie viel der Stand gekostet hat.

Welchen Handlungsbedarf siehst Du außerdem in der Regelung der Parteienfinanzierung?

Die bestehenden Anforderungen an die Rechenschaftslegung offerieren leider noch ein paar Möglichkeiten, die nicht dem Geist des Parteiengesetzes entsprechen. Es ist zum Beispiel verboten Spenden von über 1.000€ aus dem EU-Ausland anzunehmen. Es ist Parteien aber nicht verboten, Kredite in jeder Höhe überall im Ausland aufzunehmen. Stichwort Kredite: die müssen im Rechenschaftsbericht auch gar nicht konkret ausgewiesen werden. Wir wissen aber aus den Medien von Fällen, in denen Parteien hohe Kredite zu völlig marktunüblichen Konditionen bei privaten Gebern aufgenommen haben. Das hat schon eher den Charakter einer Spende – ohne dass man den Spender nennt.

Ein weiteres Problem betrifft Geld, das erst gar nicht im Rechenschaftsbericht auftaucht. Im Bundestagswahlkampf hat ein Unterstützerverein u.a. über eine Gratiszeitung und Plakate massiv Werbung für die AfD gemacht. Sollte sich der Verdacht erhärten, dass es Absprachen zwischen der AfD und dem Verein gegeben hat, wäre es illegale Parteienfinanzierung. Hier besteht akuter Handlungsbedarf.

Marc Urbatsch ist seit dem 11.11.2018 Bundesschatzmeister von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und seit 2016 Mitglied des Abgeordnetenhauses in Berlin. Er ist studierter Philosoph und Wirtschaftswissenschaftler, war zehn Jahre Landeschatzmeister der Grünen Berlin und Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens.