Debattenbeitrag

Auch neue Gentechnik bleibt Gentechnik und wir Grüne wollen sie weiterhin nicht essen!

Die Autor*innen fordern eine gentechnikfreie Land- und Forstwirtschaft und begründet in diesem Debattenbeitrag ihre Position.

Wir sind für eine gentechnikfreie Land- und Forstwirtschaft, sie ist ein Standortvorteil für Europa, weil die große Mehrzahl der Verbraucher*innen keine Gentechnik im Essen möchte. Die neue Gentechnik würde es sogar ermöglichen, tierische Gene in Pflanzen einzubauen und umgekehrt. Daher sagen wir GRÜNE auch zur neuen Gentechnik auf dem Acker, im Wald, auf dem Teller und im Tier: NEIN DANKE!

Das wachsende Eingriffspotential in die Erbsubstanz von Mensch, Tier, Pflanzen und Bakterien sowie die rasante Entwicklung in diesem Bereich machen klar: Gerade auch die neuen Gentechniken müssen innerhalb des Risikoprüfungs- und Zulassungsregimes des Gentechnikrechts überwacht werden. Das gebieten die Vorsorge für Umwelt und Gesundheit sowie auch die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes.

Aufgrund der nicht kalkulierbaren Risiken, der Nicht-Rückholbarkeit freigesetzter genveränderter Organismen (GVO) und der Monopolisierung von Marktmacht, lehnen wir Grüne Gentechnik bei der Erzeugung von Lebensmitteln ab. Dies bezieht sich ausdrücklich auch auf die relativ neuen Methoden der Gentechnik, das sog. Gene-Editing, bei dem u.a. die Gen-Schere CRISPR/Cas zum Einsatz kommt.

Wir Grüne stehen dazu:

• Die „grüne“ Gentechnik, also Gentechnik in der Land- und Forstwirtschaft, die darauf abzielt, genmanipulierte Organismen in der Umwelt auszusetzen, wo keine Kontrolle mehr über die Verbreitung der veränderten Gene und Organismen gegeben ist, lehnen wir, wie sehr viele Europäer*innen, grundsätzlich ab.

• Auch die sogenannte „neue Gentechnik“ muss als Gentechnik rechtssicher geregelt werden. Wir brauchen einen klaren gesetzlichen Rahmen, der garantiert, dass alle genetisch manipulierten Organismen einer Risikoanalyse und -bewertung und einem Zulassungsverfahren unterzogen werden, die Entwickler müssen ein Nachweisverfahren sowie Referenzmaterial zur Verfügung stellen, Rückverfolgbarkeit, Kennzeichnungspflicht und Monitoring sind zu gewährleisten.

• Wir begrüßen das EuGH-Urteil zu den neuen Gentechnik-Verfahren. Dies muss nun von der EU-Kommission, den Mitgliedstaaten und den zuständigen Kontrollbehörden umgesetzt werden.

• Auch in Zukunft muss „Gentechnik“ draufstehen, wo Gentechnik drin ist. Um die Wahlfreiheit der Verbraucher*innen sicher zu stellen, braucht es Transparenz und eine verpflichtende Kennzeichnung!

• Die Erhaltung, Verbesserung und Zugänglichkeit von vielfältigem Saatgut muss durch mehr staatliche Forschung und Förderung von klassischer Zucht von robusten, standort- und klimaangepassten Sorten langfristig gesichert werden.

• Um Alternativen im Bereich der Züchtung und Erhaltung überhaupt zu ermöglichen, muss die Patentierung von konventionellen – „im wesentlichen biologischen“ – Züchtungsverfahren und den damit entwickelten Produkten umgehend gestoppt werden.

• Die Forschung und Förderung zur Agrar- und Forstökologie muss verstärkt werden, um über anbautechnische Optimierungen die Land- und Forstwirtschaft nachhaltiger, ressourcenschonender und regional angepasst zu gestalten.

Aufgrund der schwer kalkulierbaren Risiken, der Nicht-Rückholbarkeit veränderter Gene und der Monopolisierung von Marktmacht lehnen wir Gentechnik bei der Erzeugung von Lebensmitteln ab. Dies bezieht sich ausdrücklich auch auf die neuen Methoden der Gentechnik, das sog. Gene-Editing, bei dem u.a. die Gen-Schere CRISPR/Cas zum Einsatz kommt.

Werfen wir nun noch einen Blick in einige Bundesländer, in denen wir Grüne besonders gut bei Landtagswahlen abgeschnitten haben. Zunächst Hessen, im dortigen Grünen Landtagswahlprogramm steht:

"Nur mit starken GRÜNEN steigt der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen auf 25 Prozent, bleibt unsere vielfältige bäuerliche Landwirtschaft erhalten und haben Glyphosat und Gentechnik in unseren Lebensmitteln nichts zu suchen." (...) "Wir lehnen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ab und unterstützen Initiativen zur Erzeugung gentechnikfreier heimischer Eiweißfuttermittel." (...) "Wir werden gentechnikfreie Landwirtschaft auf landeseigenen Flächen in Hessen weiterhin sicherstellen und uns auf Bundesebene für ein bundesweites und europaweites Anbauverbot aller gentechnisch veränderten Pflanzen einsetzen."

Und dann lohnt sich auch noch ein Blick nach Bayern:

"Wir stehen für gentechnikfreie Landwirtschaft. Den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen lehnen wir ab. Lebensmittel für Menschen und Tiere, die unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen hergestellt wurden, müssen klar und deutlich gekennzeichnet sein. Das gilt auch für neue Gentechnikverfahren wie Genome Editing (z. B. CRISPR/Cas). Diese Verfahren sind als Gentechnik einzustufen und auch als solche zu regulieren. Um die Importe von genveränderten Eiweißfuttermitteln, die in Südamerika unter ethisch und ökologisch höchst problematischen Bedingungen produziert werden, zu reduzieren, werden wir den heimischen Anbau gentechnikfreier Eiweißpflanzen durch entsprechende Förderung deutlich ausweiten. Das ist auch gut für das Klima."
(Landtagswahlprogramm Bayern 2018, Seite 17)

Wir Grüne sollten uns nicht in dieser traditionellen Partei-Identität spalten und unwichtiger machen lassen als wir sind: Was in Hessen, Bayern und vielen anderen Bundesländern versprochen wurde, was so oft in Bundestags- und Europawahlprogrammen stand und weiterhin viel Unterstützung in und außerhalb unserer Partei findet, das dürfen wir nicht auf einmal brechen. Es gibt stattdessen noch viele wirklich dringende Aufgaben zu erledigen von Gleichberechtigung unabhängig von Geschlecht, Farbe der Haut, sexueller Orientierung usw. über Klimaschutz bis hin zur globalem Frieden, sozialer Gerechtigkeit und vielen weiteren ungelösten Aufgaben. Packen wir es an! Grünes Licht für Gentechnik auf dem Acker gehört allerdings nicht dazu.

Begründung unserer Position:

Wir GRÜNE, aber auch die uns nahe stehenden Landwirtschafts-, Naturschutz- und Tierschutzverbändewollen eine umwelt- und ressourcenschonende, vielfältige, den Bedürfnissen von Menschen und Tieren gerechte Landwirtschaft zur Erzeugung von Lebensmitteln.

Wieder und wieder wurden seitens der Industrie trockenheits- und salzresistente Sorten sowohl mit der alten als auch der neuen Gentechnik angekündigt. Bisher ist nichts davon zu sehen. Es ist eindeutig, dass Gentechnik in den letzten dreißig Jahren keines dieser Versprechen eingelöst hat. Stattdessen wurden pestizidresistente Sorten geschaffen, mit deren Nutzung ein höherer Pestizideinsatz und gravierende Umweltbelastungen sowie ein erschreckender Biodiversitätsschwund einhergehen. Der Hunger in der Welt ist längst nicht besiegt. Landwirt*innen werden beim Einsatz genmanipulierter Saaten in immer größere Abhängigkeit von den Agrarkonzernen und ihren Produkten gebracht. Auch auf die neuen Gentechnikverfahren und ihre Produkte werden Patente – und hier v.a. von den großen Agrarkonzernen angemeldet und teilweise auch erteilt. Die neuen Gentechnikverfahren werden aller Voraussicht nach zu einer neuen Patentierungswelle von Pflanzen und Tieren führen. Dies wird die Monopolisierung unserer Lebensgrundlagen verschärfen. Der Zugang zu genetischem Material wird so noch schwieriger, dies ist aber die züchterische Grundlage zur Entwicklung klimaanpassungsfähiger und vielfältiger Sorten.

Am 25. Juli 2018 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass auch mit neuen gentechnischen Verfahren erzeugte Organismen unter das EU-Gentechnikrecht fallen. Damit ist der EuGH dem in Europa aus guten Gründen geltenden und lange Zeit von der Umweltbewegung geforderten Vorsorgeprinzip gefolgt. Das Vorsorgeprinzip kommt dann zur Anwendung, wenn man noch über keine Risikodaten verfügt, also keine Risikobeurteilung möglich ist. Das Vorsorgeprinzip verlangt in jenen Fällen, in denen schwere Schäden plausibel denkbar sind, vorsichtig zu sein, bis man mehr Wissen hat und eine Risikobeurteilung möglich wird.

Dies gilt gerade auch, wenn wissenschaftliche Beweise noch ungenügend, nicht schlüssig oder unsicher sind, wie das bei CRISPR/Cas der Fall ist.

Es gibt einige Studien, die darauf hinweisen, dass die Anwendung dieser erst 2012 vorgestellten, also noch sehr jungen und relativ unerforschten Technik, zum Beispiel on-und off-target-Effekte in den veränderten Organismen nach sich ziehen kann.

Die Genschere nimmt Veränderungen direkt in der DNA vor, wobei einzelne Basen verändert, DNA-Abschnitte stillgelegt, ausgeschnitten, ausgetauscht oder künstliche, synthetische DNA eingefügt werden kann. Es können sowohl kleine Punktmutationen vorgenommen, als auch größere Genabschnitte verändert werden. Die Eingriffe können mehrfach hintereinander oder in Kombination durchgeführt werden. CRISPR/Cas kann die natürlichen Mechanismen der Genregulation umgehen, mit denen sich Organismen normalerweise vor negativen Folgen von DNA-Veränderungen schützen. Die gentechnischen Veränderungen sind vererbbar und führen zu spezifischen neuen Kombinationen von genetischen Eigenschaften, die über die einzelnen veränderten DNA-Abschnitte hinaus den ganzen Organismus betreffen können. Es ist noch wenig erforscht und nicht absehbar, wie die Pflanzen über längere Zeit auf diese Veränderungen reagieren.

Werden gentechnisch veränderte Organismen freigesetzt, sind diese mit allen unkontrollierbaren Auswirkungen in der Umwelt und nicht rückholbar. Daher ist es eine nicht nur vernünftige, sondern wissenschaftlich und juristisch angemessene Position, diese Organismen unter den Rahmen eines modernen Risikomanagements zu stellen. Das heißt, dass sie risikobewertet, gekennzeichnet, rückverfolgbar und nachevaluiert werden müssen und dass es einer Zulassung vor dem Inverkehrbringen oder Anbau bedarf. Freisetzungen und Anbau sind in einem öffentlichen Standortregister einzutragen, die Haftung von Schäden muss übernommen werden. Schon alleine aufgrund der Tatsache, dass es Wirtschaftszweige wie den Ökologischen Landbau oder „ohne Gentechnik“ gibt, die weder alte noch neue Gentechnik nutzen dürfen und wollen , ist eine Kennzeichnung unumgänglich, um Wahlfreiheit zu garantieren. Wir wollen eine bäuerliche, widerstandsfähige, ökologische und auf Vielfalt basierende Landwirtschaft, die auf Kreislaufwirtschaft setzt. Wir sind der Überzeugung, dass die von den Autoren des Weltagrarberichts empfohlenen Agrarsysteme, die das Anwenden von agrarökologischen Techniken, den Einsatz von vielfältigem samenfesten und nachbaufähigem Saatgut, den Zugang zu Land und Wasser sowie zu regionalen Märkten in den Vordergrund stellen, weit nachhaltiger und erfolgsversprechender sind als das, was Gentechnik verspricht und nicht liefert.

Aktuell werden agrarökologische Methoden, zu denen auch der zertifizierte Ökolandbau gehört, in Europa und weltweit nur mit einem Bruchteil der finanziellen Mittel erforscht und weiterentwickelt. Agrarökologische Forschung hat ein weitaus größeres Potential, Antworten für die großen Herausforderungen zu Klimaschutz und Klimaanpassung, Sicherung der Artenvielfalt sowie von Wasser und Böden zu entwickeln. Viele solcher Techniken sind schon bekannt und müssten nur weiterentwickelt und vor allen Dingen auch angewandt werden. Die Landwirtschaft muss sich auf Anforderungen des weltweiten Klimawandels, des Ressourcenverbrauchs und des Biodiversitätsschwundes bei einer wachsenden Weltbevölkerung einstellen. Dabei wollen wir als GRÜNE Verantwortung übernehmen und uns für eine umwelt- und tiergerechte Wirtschaftsweise einsetzen. Welche Partei, wenn nicht wir GRÜNE, sollte eine klare Stimme für eine zukunftsfähige ökologischere Landwirtschaft haben, die auch an die Generationen nach uns denkt? Nur eine natürliche genetische Vielfalt unserer Pflanzen und Tiere kann den Anforderungen der Zukunft gerecht werden.

Lernen wir unsere Natur besser zu verstehen und ihre genialen Lösungsangebote im Einklang mit der Natur zu nutzen, anstatt an ihr herum zu experimentieren!