Zum Seiteninhalt springen
Artikel

7-Punkte-Plan zur Verbesserung der Lage in den Schlachthöfen

Die Corona-Ausbrüche machen deutlich: Wir brauchen bessere Bedingungen in Schlachthöfen. Um gegen die Probleme von Massenproduktion und Ausbeutung in der Fleischindustrie vorzugehen, braucht es einen Plan.

Der Ausbruch von Corona in mehreren Schlachthöfen in Deutschland wirft ein Schlaglicht auf die dramatischen Probleme der Agrarindustrie. Sie funktioniert nach dem Prinzip: Massenproduktion von Fleisch zu Dumpingpreisen dank Dumpingbedingungen. Den hohen Preis fürs billige Fleisch zahlen die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Schlachtfabriken. Sie schuften zu miserablen Arbeits- und Lohnbedingungen, hausen in katastrophalen Unterkünften, der Schutz ihrer Gesundheit steht hinten an. Dies ist kein Problem von einzelnen schwarzen Schafen, sondern ein systematisches: Die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen sind Teil einer industriellen Landwirtschaft, die auf „immer mehr, immer billiger“ ausgerichtet ist, die Tiere zu bloßen Rohstoffen degradiert, die Umwelt und Klima schädigt, Bauern und Bäuerinnen schwächt und Arbeiter ausbeutet.

Um gegen die Probleme vorzugehen, sind folgende Punkte notwendig:

  1. Werkvertragsverhältnisse führen dazu, dass die Schlachtbetriebe ihre Verantwortung auslagern. Im Produktionsbereich der Fleischindustrie haben bis zu 90 Prozent der Beschäftigten einen Vertrag mit Subunternehmen, die wiederum oftmals nur Briefkastenfirmen sind. Treten Probleme offen zu Tage, sind die Scheinfirmen schnell von der Bildfläche verschwunden. Deshalb muss es für die Kerntätigkeiten ein Verbot von Werkvertragsverhältnissen über Subunternehmen geben.
  2. Gerade beim Arbeitsschutz gibt es in der Fleischindustrie vielfach Verstöße, darunter Lagerungs- und Unterweisungsmängel bei Gefahrstoffen, fehlende Prüfungen und mangelhafte Schutzeinrichtungen an Maschinen, fehlende arbeitsmedizinische Untersuchungen oder auch grundlegende Mängel bei der Arbeitsschutzorganisation, z.B. keine Unterweisung. Dazu kommen häufig gravierende Verstöße gegen das Arbeitszeitrecht, etwa Schichten von bis zu 16 Stunden von in jeder Hinsicht extremer Tätigkeit. Eine solch erbarmungslose Akkordarbeit ist nicht tolerierbar. Im Bereich des Arbeitsschutzes muss insgesamt eine Generalunternehmerhaftung eingeführt werden. Damit haftet der Arbeitergeber für alle, die im Betrieb arbeiten.
  3. Bei der Unterbringung der Arbeiterinnen und Arbeiter herrschen häufig katastrophale Zustände. Die Menschen leben in zu kleinen und überbelegten Wohnungen, es gibt zu wenig Sanitärräume und mangelnde Hygiene. Dazu kommt, dass die körperliche Belastung Krankheiten begünstigt, bei denen die körpereigene Abwehr entscheidend ist. Die Unterkünfte, die durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden, müssen ausreichend groß sein, klare Hygiene- und Gesundheitsstandards müssen eingehalten werden.
  4. Damit sich die Situation der Beschäftigten in den Betrieben insgesamt verbessert, müssen die Betriebsräte an einem Standort für die gesamte Belegschaft zuständig sein.
  5. Arbeitsplatz und vom Arbeitgeber gestellte Unterkünfte müssen effektiv kontrolliert werden. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit sollte zu einer Arbeitsinspektion weiterentwickelt werden. Wenn die Kontrollen von Gesundheitsschutz, Arbeitsschutz, Arbeitszeit und korrekter Entlohnung an einer Stelle gebündelt werden, werden die Kontrollen zielgenau und effektiv.
  6. Der Standard „Billigfleisch“ muss ein Ende haben. Er geht zu Lasten von Mensch, Tier und Umwelt. Die Werbe- und Rabattaktionen der Händler tragen zusätzlich zum Preisdumping bei. Dieser Dumpingwettbewerb muss untersagt werden. Im Lebensmitteleinzelhandel darf ein Mindestpreis für tierische Produkte nicht mehr unterschritten werden. Dieser Mindestpreis berücksichtigt die Produktionskosten, damit auch Bäuerinnen und Bauern davon profitieren.
  7. Über die akute Bekämpfung der Probleme brauchen wir eine grundlegende Veränderung in der Fleischindustrie und der landwirtschaftlichen Produktion. Grundsätzlich gilt, dass die Haltungsbedingungen den Tieren anzupassen sind, nicht die Tiere der Haltung. Mehr Tierwohl lässt sich zum Beispiel durch einen Tierschutzcent auf tierische Produkte finanzieren. Damit wird der Umbau von Ställen finanziert, und Tiere bekommen mehr Platz. Nötig ist zudem eine Infrastruktur für regionale, tierschutzkonforme Schlachtung. Tiertransporte müssen auf maximal vier Stunden begrenzt werden. Regionale Schlachtstätten, mobile Schlachteinrichtungen sollten gefördert und regionale Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen aufgebaut werden.
Teilen: